Das letzte Mahl
von Karla Zárate
240 Seiten © 2019 by Karla Zárate © 2022 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München www.heyne-hardcore.de ISBN 978-3-453-27360-3
Eigentlich konnten weder der Titel des Buches (der absolut nichts mit Florian Frerichs' gleichnamigem Film von 2019 zu tun hat), noch das Cover das Interesse des Rezensenten wecken. Der reichlich plakativ wirkende Untertitel ebenfalls nicht. Es waren gewisse Verdachtsmomente, die dann aber doch die Neugierde weckten und nicht zuletzt die Erfahrung, dass er von Werken, die in der Heyne-Hardcore-Reihe (die nun leider beendet wurde) erschienen sind, noch nie enttäuscht wurde.
Leonardo da Vincis "Vorwort" gibt dann ebenfalls zu berechtigten Vermutungen Anlass und spätestens das sehr kurz gehaltene erste Kapitel bestätigt den Verdacht auf den Beginn einer abgründigen Geschichte. Um ein Fazit vorwegzunehmen, das Versprechen, einer Reise "in die dunkelsten Winkel der menschlichen Seele", wird eingehalten.
"Der Tod ist die Substanz des Lebens..."
Die Autorin nimmt ebenfalls etwas vorweg. Den Mord an einer bestimmten Person setzt sie an den Anfang ihrer wahnwitzigen Geschichte. Auch den Täter stellt sie uns im gleichen Zug vor, was die Strukturen eines Thrillers etwas auf den Kopf stellt. Die Vermutung, dass es mit der Spannung somit bereits auf Seite neun zu Ende ist, kann aber falscher nicht sein.
"John Guadalupe Ontuno", die uneingeschränkte Hauptperson des Romans, ist Küchenchef in der "Strafanstalt Polunsky Unit", der "Koch der Todgeweihten", und wird in zahlreichen Rückblenden vorgestellt. Karla Zárate nimmt sich hierfür jede Menge Zeit, bringt aber das Kunststück fertig, dies in knappen und sehr präzisen Worten zu tun. Und diese können teilweise schockieren und sogar richtig wehtun. Johns Vorstellung ist ganzheitlich. Sie beginnt mit seiner Geburt.
"Mein Weinen und ihr Wehklagen ließen das Peitschen des Sturms verstummen."
Die Personenbeschreibungen sind auf den Punkt formuliert, auch wenn es sich um reine Statisten handelt. Menschen in einer Bar zum Beispiel: "Alle so gewöhnlich, so langweilig." Dennoch entstehen Bilder auch von diesen, welche sich einprägen und in gewisser Weise gewichtiger sind, als die Person selbst.
Die Grenzen zwischen dem Gefängnisalltag und der Welt jenseits der Mauern verwischen. Die Nahrungszubereitung wird hier oder dort zu einem existenziellen Akt, einer Zeremonie mit grundverschiedenen Vorzeichen. Vielleicht hätte man sich das Ende irgendwie anders vorgestellt. Doch meistens enden Dinge nicht nach vorgestanzten Denkschablonen. Und was ist schon dabei, wenn eine spektakuläre Geschichte "unspektakulär" endet? Mahlzeit!
|