Literatur

Das alte Böse

von Nicholas Searle


370 Seiten
© 2017 by Rowohlt Verlag GmbH
www.rowohlt.de
ISBN 978-3-463-40667-1



Etwas Unruhe stiftet Bettys Feststellung, dass Roy nie über seine Vergangenheit spricht. Spätestens jetzt spüren Leserinnen und Leser, dass sich hier etwas Unheilvolles zusammenbraut. Roy, der seit zwei Monaten bei Betty wohnt, hat etwas vor, so viel scheint klar zu sein. Nun flammt der Verdacht auf (was der Klappentext leider bereits verraten hat), Betty könnte ebenfalls etwas im Schilde führen.

Die beiden über Achtzigjährigen haben sich über eine Kontaktbörse im Internet kennengelernt und nun wundert sich Betty über eine weitere Unsicherheit Roys, der etwas vorschnell behauptet, sich mit dem Netz und dessen Funktionen nicht auszukennen. Betty würde nun interessieren, wie Roy sie dann überhaupt finden konnte.

Dem windigen Kriminellen fällt sofort eine entsprechende Ausrede als halbwegs plausible Erklärung ein, dennoch beginnt eine unterschwellige Auseinandersetzung, die sich zunächst unter verhaltenem Lächeln tarnt. Ein Spiel, das beide zu beherrschen scheinen.

Roys Fehler und Unsicherheiten sind jedoch unübersehbar, wobei man diesen Charakter erst einmal kennenlernen muss. Hierzu baut Nicholas Searle zahlreiche Rückblenden ein, die bis 1946 bzw. 1938 zurückverfolgt werden und Roys Vergangenheit ausführlich schildern, wobei ein raffinierter Anlagebetrug noch die harmlosere Angelegenheit darstellt.

Fast wirken seine zahlreichen Aktivitäten allerdings etwas unglaubwürdig, weil zu konstruiert, denn oftmals kommt dem intelligenten Mastermind der Zufall zu Hilfe. Zudem macht es einem Nicholas Searles etwas kantig-verkopfter Stil nicht unbedingt leichter. In einer ausführlichen Charakterisierung Roys scheint sich der Autor dann auch selbst zu parodieren, indem er seinem Helden das Adrenalin in die Adern schießen lässt, wenn es gilt, den "akribischen Aufbau des Lügengebäudes mitsamt seinem verschachtelten Fundament" zu entwerfen.

Das sagt im Prinzip alles. Man muss in der Lage sein, sich auf jene Kellergewölbe einzulassen, scheinen sie auch noch so unübersichtlich zu sein. Schließlich ist es die Neugier, die den Leser vorantreibt, denn dieses raffinierte Katz- und Mausspiel sucht seinesgleichen. Die sich langsam entwickelnde Vermutung einer überraschenden Wendung am Schluss wird schließlich bei weitem übertroffen.

So ganz nebenbei gesagt, sind Nicholas Searles gesellschaftliche Seitenhiebe eine nette Beigabe. Humor vorausgesetzt, kann man sich dann an Tiraden gegen "dumme, selbstzufriedene Leute" ebenso erfreuen wie an der Feststellung, dass "alle deutschen Städte spießig sind" und von ebensolchen Leuten bewohnt werden.

Alles in allem also ganz und gar nicht langweilig. "Oh nein."

 

Thomas Lawall - Mai 2017

 

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