Das Universum der kostbaren Minuten
von Gerhard Kofler
224 Seiten © 2013 Haymon Verlag Innsbruck-Wien www.haymonverlag.at ISBN 978-3-7099-7087-4
"Das Universum der kostbaren Minuten" bildet sozusagen den Anfang vom Ende. Zwei weitere Bände sind geplant, welche die letzten Gedichtzyklen Gerhard Koflers beinhalten und unter dem Gesamttitel "Das Gedächtnis der Wellen" erscheinen.
"Tragische Komödianten" sind wir, doch vermögen wir uns selbst zu finden in den Versen von Gerhard Kofler. Der 1949 in Bozen geborene und 2005 in Wien gestorbene Schriftsteller und Dichter führt uns direkt vor jenen Spiegel, den wir so oft fürchten ... und uns gelegentlich an der Nase herum.
Nicht nur die zweisprachige Ausführung seiner Verse, sondern vielmehr seine innere Konstruktion ist einzigartig. Während Dichtung nicht selten Selbstzweck ist und sich im Kreise um sich selbst zu bewegen pflegt, bricht Kofler aus jenem engen Schema aus, so wie er keine kurzen Hosen ("Lange Hosen" S. 53) mag und "literarisches Geschwätz" ("Im Schritt-Tempo" S. 55) schon gar nicht.
Nicht Egomanie und die Fixierung auf den eigenen Kosmos steht im Vordergrund, sondern eine weltoffene Sicht der Dinge und vor allem die herrlich ehrliche, manchmal schräge Ironie sich selbst und den eigenen Gedanken(sprüngen) gegenüber. So hält uns der "Instinkt" (S. 51) am Leben (andere leider nicht!), sind stets "auf der Durchfahrt" und finden neben aller Unkontrolliertheit auch noch "...applaus / für eine kostbare / träne".
Das Leben ist auf der Flucht. Und wir mit ihm. Wohin jagen wir? Dem Glück immer auf den Versen? Sicher ein Fehler, denn "unbesorgt" sollen wir sein, schlägt Kofler uns vor, und er formuliert es aus seiner Sicht so: "die sympathie / mir bewahrend / für jene / die kirschen stehlen" ("Sei unbesorgt" S. 43).
Jene flüchtigen Momente kann Kofler einfangen, sichtbar machen, lesbar machen - möchte sie aber stets nur eine Weile festhalten, um sie sogleich in "das Universum der kostbaren Minuten" freizulassen.
Es mag zu Beginn schwierig sein, seinen Worten und Zeilen Folge zu leisten, doch wenn man in der Lage ist, dieses einmal zu wagen, entdeckt man vieles - zumindest jedoch den Hauch einer Ahnung des Wesentlichen. Was zunächst sperrig erscheinen mag, entpuppt sich als lebensbejahender Widerstand. Denn es sind ja nicht die Dinge, die uns Böses wollen, sondern wir sind es selbst.
Was uns treibt, was uns bewegt und was uns am Leben erhält ist die Hoffnung, diese in wenigen Worten ausgedrückten Wahr- und Weisheiten einmal selbst zu sehen und zu spüren. Zeit ist kostbar. Poesie kann sie anhalten, wenn auch nur für Sekundenminuten (das Universum darf gerne lachen).
Und wenn uns am bitteren Ende selbst die Stille davonfliegt ("Redend mit Lukrez" S. 63) bleibt immerhin die Möglichkeit, dass alles nur Programm ist - so gelesen und bestaunt im "Universum der Improvisationen" (S. 61). Wenn die Stegreifschöpfung also weitergeht, wird das Ewige ewig weiterstaunen ("Universelle Philopoesie" S. 73): "das ewige / wundert sich / über jeden / Augenblick."
In diesem Sinne bleibt für Leserinnen und Leser viel und vielleicht sogar mehr, als man von einem Buch erwarten kann. Diese Verse sind Begegnungen: Lebensbruchteile, die miteinander bekannt gemacht werden. Augenzwinkernd lächeln sie uns zu. Erkenntnisse aus Beobachtung und Zufall. Man verweilt mit den Worten und bestaunt die kostbar gewordene Zeit, die noch bleibt.
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