Literatur

Das Unbehagen der Elsa Brandt

von Bettina Steinbauer



224 Seiten
© SOLIBRO Verlag, Münster 2015
www.solibro.de
ISBN 978-3-932927-93-5



Männer aus dem Stau fischen. So denkt und handelt Elsa Brandt, die mit sich selbst, dem Leben und dem Sinn desselben auf Kollisionskurs steht. Resignieren ist aber nicht, weshalb sie im vermeintlich sinnlosen Einerlei agiert und reagiert, etwas tut, was im Strom der Gewohnheit so nicht erwartet wird.

Dieses Mal ist es ein Sven und dieses Mal nennt sie sich Eva. Das vorbereitete Stück Papier verfehlt seine Wirkung nicht - ein kurzer Dialog im Stau kommt zustande, und man trifft sich in der nächstgelegenen Raststätte. Doch auch Sven hat nicht die geringste Chance. Statt sich über das Wunder des (für ihn) ungeplanten Augenblicks zu freuen, stellt er die üblichen Fragen. Nach beruflichen Dingen und dem, was jetzt kommen mag.
Elsa erfindet sich spontan als eine Pathologin, was dem weiteren Dialog eine ebenso gekonnt wie wohl dosierte Situationskomik verleiht. Was das Ganze soll, weiß Elsa nicht, und was kommen mag, ebenfalls nicht. Sie wartet auf ein Wunder, auf etwas, was sie bewegt und vom Hocker haut. Vergeblich.

Elsa Brandt ist Journalistin, die sich jedoch mit oberflächlichen Aufgaben weit unter Wert verkauft. Mal sind es Berichte über ein neu eröffnetes Möbelhaus oder Trauerreden, die sie nebenbei, als dringend notwendigen Nebenverdienst, verfasst.

Glück gib es in ihrem Leben wenig und wenn überhaupt, nur für den Moment. Einen Plan hat und mag sie nicht, die Zukunft spielt keine Rolle, was zählt, ist der Augenblick. Im großen Plan der Welt kommt sie nur "flüchtig oder versehentlich vor", und als Bedeutung "im großen Zusammenhang" sieht und begreift sie sich als eine "Küchenschabe".

Niemand kann ihr helfen oder sie gar belehren. Gegen ihre analytischen Argumentationsketten kommt sowieso niemand an. Nicht einmal ihr bester Freund, dessen Freundschaft sie auf eine ernste Probe stellt. Kontakte pflegt sie nur wenige. Sie hat genug mit sich selbst zu tun.

Bettina Steinbauer belässt es in ihrem zweiten Roman dann auch bei einem höchst dramatischen Kammerspiel, das mit nur wenigen Darstellern zu brillieren weiß. Ihre Figuren beschreibt sie derart lebendig, dass man sie nicht nur sprechen zu hören glaubt, sondern auch die besondere Betonung und den Klang ihrer Worte. Selbst wenn es sich nur um eine, wenn auch markante, Nebenrolle wie die des Schweizer "Gemeindepräsidents" Klaubinger handelt.

Großartig, wie dieses Buch aus dem Rahmen fällt. Selten so gelesen. Auch wenn es sinnlos ist, sich gegen das Unvermeidliche zu wehren. Ein wacher Geist konfrontiert sich gnadenlos mit dem unlösbaren Problem der eigenen Endlichkeit. "Ich kann das Leben nicht fassen. Warum soll ich etwas fassen, was ich am Ende nicht halten kann?"

Bettina Steinbauer schenkt ihrer Figur keine Gnade und keine billigen Lösungsansätze. Lediglich ein Warten auf das Wesentliche. Fast scheint es ausgeschlossen zu sein, dies bei oder in einem Menschen zu finden. Doch es gibt Dinge, die älter sind als Menschen. Und es gibt Menschen, die im richtigen Moment den Mund halten können.

Grandioses Buch. Wie ein Fels im Strom der Nichtigkeiten!

 

Thomas Lawall - Dezember 2015

 

 

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