Das Therapiezimmer
von Aimee Molloy
334 Seiten © 2021 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg www.rowohlt.de ISBN 978-3-499-27634-7
Prolog und Klappentext geben das Thema vor. Klare Sache also. Könnte man jedenfalls meinen. Teil eins der Geschichte beginnt mit einem Rückblick, und schon kommt man ins Schleudern. Das erste Kapitel endet mit einer gewissen Pointe, die man so überhaupt nicht erwartet hätte. Gleichzeitig bildet diese eine untrügliche Vorahnung dafür, dass man es hier mit einer Autorin zu tun hat, die alle Register ziehen wird, um einen aufs Glatteis zu führen. Höchste Aufmerksamkeit ist also geboten.
Dieser Thriller macht es dem Rezensenten schwer, die passenden Worte zu finden. Was könnte man also zum Verschwinden des New Yorker Psychotherapeuten Dr. Sam Statler, der mit seiner Frau Annie in die Kleinstadt Chestnut Hill umgezogen war, erzählen, ohne zu viel zu verraten? Selbst über das ältere Haus, in welchem er seine neue Praxis einrichtet, sollte nichts weiter erwähnt werden. Ausgenommen natürlich jener Lüftungsschacht, der im Stockwerk darüber ein Mithören der Therapiesitzungen ermöglicht.
Der Roman wird recht unterschiedlich bewertet, was kaum verwundert. Falsche Erwartungen sind wenig hilfreich, denn hierfür stehen entsprechende Sackgassen zur Verfügung. Der springende Punkt sind sehr unterschiedliche Erzählperspektiven, und es ist durchaus möglich, und wahrscheinlich auch gewollt, Personen falsch zuzuordnen oder gar zu verwechseln. Rückblenden machen es nicht einfacher, vor allem wenn sich Dialoge in Gegenwart und Vergangenheit unmittelbar treffen, oder wenn sich eine vermeintliche Gegenwart als Möglichkeitsform entpuppt.
Das alles ist interessant zu entschlüsseln, und so schwierig ist das nun auch wieder nicht. Ab einem gewissen Punkt ist eh alles klar. Die Spannung stagniert allerdings keineswegs, sondern steigt steil nach oben. Was aber nicht wiederum heißt, dass einer restlosen Verwirrung nicht eine noch größere folgt.
Angereichert mit psychologischem Tiefgang, Freud'schen Erkenntnissen und Verweisen auf Stephen Kings Figurenkabinett eines bestimmten Romans, berühren die Geschichte am Rande, welche jetzt bestimmt nicht der "spannendste Roman des Jahres ist". Die Werbung übertreibt.
Allerdings nur ein wenig!
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