Literatur

Das Auge

von Richard Laymon


352 Seiten
© 1962 by Richard Laymon
© 2016 der deutschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München
www.heyne-hardcore.de
ISBN 978-3-453-67703-6



Bodie ist sich nicht sicher, was mit seiner Frau los ist. Die eine oder andere Theorie plagt ihn, doch Genaues kann er nicht definieren. Es sind Melanies "Visionen", die sie und schließlich auch ihn mehr und mehr verunsichern.

Schon einmal hatte sie jene Visionen. Damals war sie erst elf Jahre alt. Sie "sah" den Unfalltod ihrer Mutter und sie hatte leider recht. Heute ist es der Tod ihres Vaters, den sie "gesehen" hat. Oder den ihrer Schwester Pen. Genau weiß sie es diesmal nicht. Einer von beiden muss jedenfalls tot sein.

Bodie fragt sich einmal mehr, ob Melanies ausgeprägte Phantasie nicht an allem schuld ist. Irgendwelche Schuldgefühle vielleicht oder auch Hass ihrem Vater gegenüber, der inzwischen mit einer sehr viel jüngeren Frau zusammenlebt. Wäre es möglich, dass sich ihr Unterbewusstsein seinen Tod gar wünscht? Ist Melanie eine "psychische Zeitbombe"? Wird demnächst alles eskalieren?

Jedenfalls scheint für Bodie im Moment die klügste Entscheidung zu sein, seine unmaßgeblichen Theorien für sich zu behalten. Schon bald würde sich wohl herausstellen, was an der Sache wirklich dran ist ...

Genau das ist nicht der Fall, wobei in diesem Zusammenhang das größte Manko des Buches auffällt. Die genauen Beobachtungen des Autors spiegeln sich in klarem und präzisem, fast vereinfachtem Ausdruck. Schnörkellos zwar, und doch verzettelt sich der Autor in endlosen Monologen. Dies und jenes wird abgewogen, mit sich selbst diskutiert, abgewogen und wieder und wieder umgedreht. Ein Übermaß an Geduld ist erforderlich.

Bestes Beispiel sind die obszönen Anrufe, die Melanies Schwester Pen erhält und welche sogar auf dem Anrufbeantworter gespeichert sind. Das Einfachste wäre nun, zur Polizei zu gehen, doch diesen einfachen Weg zerredet sie sich selbst. Hätte ja eh keinen Sinn und dies und jenes und bla bla. Lahm und nervig zugleich ist das. Und wenn dann endlich etwas passiert, ist der Roman auch schon am Ende angelangt.

Der versammelten Fangemeinde des Autors dürfte es egal sein. Das Auge ("Alarms" 1992) ist eh ein älteres Werk, doch was soll's?! Der 2001 überraschend gestorbene Autor hatte ein untrügliches Gefühl für Spannungsaufbau, wobei er ebenso drastische wie simple Ausdrucksweisen kombinierte und zu monströsen Geschichten verdichtete.

Das wird natürlich auch in diesem Roman klar, auch wenn sich der Plot schier unendlich zu dehnen scheint. Man ist praktisch gezwungen, bis zum Ende weiterzulesen oder sofort einzuschlafen. Wer es durchhält, wird allerdings mit einem ganz besonderen Knalleffekt belohnt. Der (endlich) stattfindende Showdown am Ende beendet zwar die eigentliche Geschichte, doch den Schlusspunkt bilden besondere Umstände erst auf der letzten Seite.

 

Thomas Lawall - Januar 2018

 

 

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