Literatur

Buchland

von Markus Walther


244 Seiten
© ACABUS Verlag, Hamburg 2013
www.acabus-verlag.de
ISBN 978-3-86282-186-0



Etwas Entsetzliches muss gerade geschehen sein. Mit letzter Kraft scheint Beatrice dem Chaos im Keller gerade noch einmal zu entkommen. Die rettende Tür zum Buchladen fliegt auf und sie stürzt hinein, während es unten staubt und lärmt. Den Stapel Bücher, den sie mit heraufgebracht hat, kann sie nicht mehr halten. Mit Mühe und Not gelingt es Herrn Plana gerade noch, körperlich angeschlagen wie er ist, seine neue Mitarbeiterin vor einem drohenden Sturz zu bewahren. Um die beschädigten Bücher und das, was im Keller geschehen ist, würde er sich schon kümmern ...

Ihren neuen Arbeitsplatz hat sich Beatrice Liber anders vorgestellt. Sie ist mehr als ungehalten und verlangt zu erfahren, was hier gespielt wird. Sie scheint vom Regen in die Traufe zu kommen, denn in ihrem Leben scheint einfach alles schief zu gehen. Ihr eigener Buchladen ging pleite, und auch privat stürzte sie in Abgründe. Ihr Mann ist ebenfalls arbeitslos. Man kündigte ihm wegen eines Alkoholproblems. Dieses wiederum begründet sich in der Tragödie mit der gemeinsamen Tochter ...

Nun der Lichtblick mit dem Antiquariat von Herrn Plana, der sie nach ihrer persönlichen Vorstellung sofort eingestellt hat. Doch etwas stimmt mit diesem Laden und mit diesem Mann nicht. Beatrice möchte es herausfinden und zwar sofort. Da sie keine zufriedenstellenden Antworten bekommt, kündigt sie ihre neue Stelle, doch Herr Plana ist nicht bereit, diese zu akzeptieren. Zu viel kommt noch, zu viel steht auf dem Spiel und schließlich ist da noch die Sache mit ihrem unfertigen Manuskript.

Herr Plana entschließt sich, seinen alten Wagen wieder in Betrieb zu nehmen, um seine neue und schon wieder ehemalige Mitarbeiterin zurückzugewinnen. Er besucht sie zu Hause in ihrer erbärmlichen Behausung. Die alte Wohnung konnten Beatrice und ihr Mann nicht mehr bezahlen. Herr Plana erfährt viel von den momentanen Lebensumständen des unglücklichen Ehepaars, von sich selbst gibt er aber nur wenig preis. Deshalb denkt Beatrice zunächst auch gar nicht daran, ihre Kündigung zurückzunehmen.

Vielleicht ist es die Belehrung, welche ihr am Vortag zuteil wurde, die sie ihre Entscheidung noch einmal überdenken lässt. Harr Plana war wieder einmal nicht bereit, ihre Fragen zu beantworten und wich stattdessen auf die fast schon übliche Art und Weise aus. Schließlich darf man als Schriftsteller nicht zu viel von der Geschichte auf einmal verraten. Das gibt nur Probleme mit dem Lektorat ...

War ja klar, könnte man behaupten, denn solche Geschichten in der Geschichte, und andere liebevoll formulierten Seitenhiebe, tragen eindeutig die Handschrift Markus Walthers. Ja, von wegen klar - gar nix war klar. Bisher kannten wir den Kölner Schriftsteller als Meister der Kurzgeschichte, sozusagen als den einen wahren Konzentrator, der es gar nicht mal so selten schaffte, ein literarisches Feuerwerk auf nur einer einzigen Seite abzubrennen.

Nunmehr einen Roman von ihm in Händen zu halten, ist also eine Überraschung, die vielleicht so manchen Anhänger erschrecken mag. "Menno, jetzt soll ich doch so viel lesen, wo ich doch gar keine Zeit habe. Ich lese doch höchstens mal auf dem stillen Örtchen oder beim Italiener bei einem Espresso!" Tja Herrschaften, das wird sich ändern, denn die Zeit werdet ihr euch freiwillig geben, wenn ihr die erste Seite gelesen habt. Alles weitere ergibt sich dann von selbst ...

... denn der Autor bleibt seinem Motto treu. Geht nicht? Es geht! Möglichst viel auf eine Seite zu packen funktioniert nämlich auch in einem Roman (von Markus Walther). Aus genannten Gründen muss man an der einen oder anderen Stelle natürlich etwas drumherum fabulieren, sich in Ausflüchten verlieren, geschickte Ablenkungsmanöver einleiten, in berechnender Sachlichkeit Zeit gewinnen und den so entstehenden Raum mit anderen Wundern füllen.

Und derer gibt es viele: Beispielsweise die zahlreichen literarischen Verweise, quer durch die gesamte Literaturgeschichte, ausgewählte Zitate, philosophische Betrachtungen, ebenso monströse wie altmodische Maschinerien, technisch jedoch auf dem allerneusten Stand, oder die persönlichen Auftritte einiger prominenter Autoren, welche sich längst in Zeit und Weltgeschichte verewigt haben.

Mitunter wirkt der Herr Plana aber etwas kantig. Insbesondere wenn er den Zeigefinger erhebt, um Literatur bewerten oder gar abzuwerten, wie er es besonders im Kapitel "Die Halle der entbehrlichen Bücher" tut. Beatrice entdeckt schnell seine Widersprüche, die er schnell zu relativieren weiß. Man fragt sich immer öfter: Ja wie denn nun? Auch die wiederholte Breitseite gegen Bezahlverlage, welche zwar inhaltlich in Ordnung geht, gehört hier überhaupt nicht her und jenes oberlehrerhafte Gehabe stören Stimmung und Dynamik des Buches nicht unerheblich. So etwas wollen wir lieber in einem Sachartikel oder -buch lesen.

Dafür sind die humoristischen Einlagen des Autors wieder vom Feinsten. Egal, ob es sich hierbei um die "Liebe" des Herrn Plana zu E-Book-Readern handelt, oder das ganz spezielle "Navi" in seinem alten VW-Käfer, oder herrlich selbstironische Passagen, beispielsweise das Thema Kurzgeschichten betreffend. Diese wären ja schließlich "nichts Halbes und nichts Ganzes. Junkfood für den Kopf." Die Bemerkung, dass man alle Rezensenten totschlagen sollte, überlässt er weise augenzwinkernd aber lieber einem anderen (gar nicht mal so unbekannten) Kollegen.

Wo war ich? Ach hier. Viel gäbe es noch zu sagen, aber das haben schon andere gesagt. Was noch zu berichten wäre ist die Tatsache, dass es bisher nur ein einziges Buch gegeben hat, dass sich auf meinem Schreibtisch randalierend vorgedrängelt hat, und in keinster Weise geneigt war, sich gefälligst hinten anzustellen. "Buchland" gehört jetzt dazu und ich werde die beiden Werke demnächst miteinander bekannt machen. Ich denke aber, dass sie sich längst kennen, so wie sich alle Bücher untereinander kennen, wie wir jetzt wissen. Auf welchen Wegen dies auch immer geschehen sein mag.

Es steckt mehr hinter diesem "Buchland", als wir uns auf den ersten Seiten vorstellen können. Man könnte, wenn man denn wollte, das Buch durchaus mit Michael Endes "Die unendliche Geschichte" vergleichen. Es ist nicht unähnlich gestrickt ... nur ... ganz anders. Eine Quelle der Inspiration war es sicherlich, so wie zahlreiche andere auch. Allerdings scheinen sich Realität und Phantasie hier in einer Art und Weise zu vermischen, die ihresgleichen sucht. Bibliophile aufgepasst: Pflichtlektüre! "Buchland" ist eine zeitlose Liebeserklärung an das geschriebene Wort.

Noch etwas: Bücherregale, egal wo sie stehen, ob zu Hause oder in einer Bibliothek, werden die Leserinnen und Leser von "Buchland" künftig mit völlig anderen Augen sehen. Endgültig. Und aufgepasst - wer sich jemals in die Kellerräume eines Antiquariats verirrt, sollte keinesfalls den Faden verlieren. Man weiß ja nie ...

 

Thomas Lawall - Juni 2013

 

 

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