Literatur

Blutwurst und Zimtschnecken

von Ane Riel


352 Seiten
© Ane Riel 2013
© der deutschsprachigen
Ausgabe 2016 by btb Verlag
www.btb-verlag.de
ISBN 978-3-442-71408-7



Wer ist denn das nun wieder und was hat jetzt dieser Jørgen plötzlich in der Geschichte verloren? Und dann auch noch auf über einhundertzwanzig Seiten. Zweifellos ist dieser Akt das Gegenteil von uninteressant, denn Jørgens Kindheit und Jugend beschreiben die langjährige Leidensgeschichte eines Jungen, der seiner herz- und gnadenlosen Mutter hilflos ausgeliefert ist.

So scheint es jedenfalls, bis erste Anzeichen sich mehren, dass Jørgen einen für sich ganz speziellen Weg gefunden hat, seine Unterdrückung, auch jene durch seine Klassenkameraden und Lehrer, zu kompensieren. Durch diese perfiden Mechanismen scheint es ihm zu gelingen, die gegen ihn gerichteten Aggressionen umzudrehen, um sie letztlich gegen die Urheber selbst einzusetzen.

Was dieser dänische Junge aushalten muss, ist unmenschlich, ob ihm nun physische oder psychische Gewalt widerfährt. Doch wo soll man ihn in der Geschichte einordnen? Und vor allem: In welchem Zusammenhang steht er mit Judith, die in Liselejes Rotkehlchenweg wohnt, für ihr Leben gerne Zimtschnecken backt und (schon auf der ersten Seite) überlegt, ob sie nicht den Postboten töten sollte ...

Den ersten Knalleffekt platziert Ane Riel erst nach über zweihundert Seiten. Alles Mögliche hat man erwartet, doch nicht dies! Dabei legt die Autorin nicht einmal falsche Spuren. Die ergeben sich von selbst.
Vermutungen erweisen sich als null und nichtig. Und was die Schlusspointe betrifft sowieso.

Ane Riel muss in ihrer Geschichte weit ausholen. Zum allgemeinen Verständnis, zumindest wenn sich die erste Verwirrung gelegt hat, kann und muss man ihr in ihren umfangreichen Rückblenden folgen.
Und falls dies nicht gelingt, kann man sich, völlig unabhängig davon, zunächst an ihrer herzerfrischend-geistreichen Metaphorik erfreuen.

Vielleicht ist dies auch der einzig richtige Weg, denn von Anfang an ahnen Leserinnen und Leser nichts Gutes. Deshalb kann es nur froh und heiter stimmen, erst einmal Land und Leute und überhaupt die ganze, mit Worten gemalte, Stimmung in Liseleje und Umgebung kennenzulernen, bevor sich Abgründe auftun, die man so auf keinen Fall erwartet hat!

 

Thomas Lawall - November 2016

 

 

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