Blütengrab
von Ada Fink
446 Seiten © 2021 Rowohlt Verlag, Hamburg www.rowohlt.de ISBN 978-3-8052-0059-2
Das hat Ulrike Bandow gerade noch gefehlt. Es ist nicht so, dass der Leichenfund eines jungen Mädchens in einem Waldgebiet der mecklenburgischen Provinz nicht genug Rätsel aufgibt. Ein weiteres ist, weshalb ihr Chef es für notwendig erachtet, ihr einen neuen Kollegen an die Seite zu stellen. Ist er der Meinung, dass ihre Dienste als Kommissarin nicht ausreichen, um den seltsamen neuen Fall lösen zu können?
Ingo Larssen plagen ebenfalls Fragen, wenn auch gänzlich anderer Art. Er befindet sich gerade an einem ehemaligen Grenzübergang, der dem Verfall übergeben wurde. Ein markantes Graffito klärt auf:
"Die DDR hat's nie gegeben."
Erst jetzt scheint er zu begreifen, dass er sich tatsächlich auf dem Weg in den Osten befindet. Natürlich hat er nichts gegen "Ossis", aber sehr wohl andere Gründe für jene Fahrt, auch wenn sich die Kieler Kollegen keinen Reim auf diesen Wechsel machen können ...
Schön, dass Leserinnen und Leser gleich zu Beginn mit einem ganzen Fragenkatalog konfrontiert werden. Ein ebenso langweiliges wie eingleisiges Erzählen ist also nicht zu erwarten. Es gilt eher, ein kompliziertes Gesamtbild aus einer Vielzahl unterschiedlichster Teile zusammenzusetzen. Spannung ist also auf allen Ebenen angesagt, wobei sich diese nicht nur auf die Gegenwart bezieht.
Schauplatz ist die Gemeinde "Wussnitz", die immer mehr einer Geisterstadt ähnelt.
"Als hätte jemand den Stecker gezogen".
Immerhin leben nach der Wende noch ein Drittel der Einwohner hier. Dennoch herrscht neben der Ziellosigkeit der Bevölkerung auch noch allgemeine Endzeitstimmung, die mit dem Verfall zahlreicher Gebäude mühelos mithalten kann. Ebenso mühelos gelingt es "Ada Fink", jene Stimmung der Nachwendezeit glaubwürdig umzusetzen, die sich als ideale Kulisse für den düsteren Fall anbietet.
Die wenig Zuversicht erzeugenden Rahmenbedingungen werden durch die Lebensgeschichten der beiden Hauptakteure zusätzlich unterstrichen. Dass hier Welten zusammenprallen, versteht sich von selbst. Dies alles wirkt ebenfalls keinesfalls aufgesetzt. Es entstehen ständig Bilder, die zeitweise den eigentlichen Fall überlagern.
Allein dies erzeugt Spannung, auch wenn es oft "nur" die zwischenmenschliche ist. Die Autorin hat aber noch weitere Asse im Ärmel, indem sie uns sogar an den nonverbalen Interaktionen ihrer Figuren teilhaben lässt, ähnlich wie es Woody Allen einst in "Der Stadtneurotiker" mit Untertiteln gestaltete. Ein gewisser Schmunzelfaktor ist, neben allem Ernst der Lage, also ebenfalls gegeben.
Es fehlt in diesem Thriller somit an nichts. Fast jedenfalls, denn am Ende bleiben Fragen offen, während sich die Auflösung recht bizarr gestaltet, und viel zu schnell regelrecht abgehandelt wird. Dies und mehr könnten Hinweise auf eine Fortsetzung andeuten. Das Potential dazu ist auf jeden Fall vorhanden!
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