Bios
von Daniel Suarez
544 Seiten © 2017 by Rowohlt Verlag GmbH www.rororo.de ISBN 978-3-499-29133-3
Illegalen Genbearbeitungslabors muss der Kampf angesagt werden. Eigentlich sollte die UN-Konvention von 2038 Abhilfe schaffen. Zwar sind Genmodifikationen inzwischen grundsätzlich erlaubt, allerdings besteht die Notwendigkeit, "unregulierte Genbearbeitung an menschlichen Embryonen" weltweit zu verhindern.
"Editing" ist angesagt. Embryos können, "wenn sie nur eine einzige befruchtete Zelle sind", editiert werden. Legal ist das aber nur, wenn ernste Krankheiten zu erwarten sind. Defekte Gene werden problemlos repariert. So weit so gut, doch diese Technik bietet natürlich Möglichkeiten, die ungleich interessanter sind ...
Daniel Suarez beginnt seinen SF-Thriller mit einem gigantischen Kameraschwenk über die technischen Möglichkeiten der nahen Zukunft, die Leserinnen und Leser fast ein wenig überfordert. Nötig ist dieser Überblick allerdings schon, denn wie soll anders erklärt werden, dass mehrere technische Revolutionen die Menschheit wieder einmal grundlegend verändert haben, was, wie gewohnt, ein zweischneidiges Schwert ist. Auch im Jahr 2045 ist das nicht anders.
Begonnen hat es mit der "Lichtfeldtechnik", dem Todesstoß für die Unterhaltungselektronik-Industrie. Bilder werden jetzt direkt auf die Netzhaut projiziert. Selbstfahrende Autos haben sich etabliert. Manuelles Fahren ist verboten. Staus gibt es nicht mehr. Alles wird ganzheitlich gesteuert und aufeinander abgestimmt.
Noch größere Veränderungen brachte die "synthetische Biologie". "Maßgeschneiderte Organismen" ersetzten die herkömmlichen industriellen Fertigungsprozesse, egal ob es sich um Autokarosserien, Biokraftstoff oder "Tierleidfreies Fleisch" handelt.
Vorgestellt werden uns "Netzhautscans", "In-Eye-Präsentationen", "plenoptische Lichtfelder", "Biocomputing", "Urban-Farming-Türme", "Lieferdrohnen", "Subklonierung" oder "biolumineszente Bäume". Letztere werden (auch) als Straßenlaternen verwendet, die selbstverständlich gedimmt werden können. Es gibt sogar noch "Phablets", wobei "physische Screens" inzwischen völlig veraltet sind. Ebenfalls zum Schmunzeln regen Dinge wie "aufblasbare Solarmodule" oder "Video-Sticker" an, die wegen ihrer millionenfachen Verwendung als Werbeträger, an jedem nur erdenklichen Ort angebracht, als Umweltverschmutzung gelten.
Natürlich gibt es auch eine Story, doch allein die bahnbrechenden Entwicklungen, seien sie auch noch so besorgniserregend, machen "Bios" zu einem Leseerlebnis der ungewöhnlich spannenden Art. Eine Multiplikation der Spannungskurve entsteht, wenn ein "Enantiomorph" die Bühne betritt ...
Hauptakteur ist Kenneth Durand, der bei Interpol die Abteilung für "Genkriminalität" leitet. Genauer gesagt: Er ist leitender "Geospatialanalytiker" beim "Interpols Global Center for Innovation". Seine Aufgabe ist es, Orte illegaler Handlungen, mit dem von ihm entwickelten "Data-Mining" aufzuspüren und zu lokalisieren, nicht einzelne Personen, die daran unmittelbar beteiligt sind.
Als jedoch genau das von ihm verlangt wird, beginnt die Situation zu eskalieren. Markus Wyckes, Anführer der "Huli jing", eines Genediting-Kartells, soll aufgespürt und verhaftet werden. Durch die Ermittlungen Durands, der mit seiner "georäumlichen Analyse" Entscheidendes im Kampf gegen illegale Embryolabors geleistet hat, ist Wyckes bereits ein beträchtlicher Schaden entstanden. Ihn aufzuspüren dürfte jedoch ein Ding der Unmöglichkeit sein, denn er entwickelte eine perfide Methode, die seine Organisation schützt ...
Technik war früher. Die "biologische Moderne" ist angesagt. Wie sich das anfühlt, erzählt uns Daniel Suarez, und das mit einer ebenso überzeugenden wie beängstigenden Selbstverständlichkeit. Da man ihn als den "Jules Verne des digitalen Zeitalters" bezeichnet, würde das bedeuten, dass zumindest einige von seinen Visionen bald umgesetzt werden. In Sachen Unterhaltungsmedien oder Genmanipulation hat es ja längst begonnen. Ob das ein Grund zur Freude ist, wird sich noch herausstellen.
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