Literatur

Bewegungsmelder

von Thomas Ballhausen


104 Seiten
© 2010 Haymon Verlag Innsbruck-Wien
www.haymonverlag.at
ISBN 978-3-85218-643-6



Wenn sich jemand auf Sprache wirklich noch einlassen kann und mit ihr spielt, um Momentaufnahmen des Lebens festzuhalten, sie quasi aus der "Bewegung" herausholt und fixiert, muss und wird er damit rechnen, nicht von jedermann verstanden zu werden. Thomas Ballhausen scheint es nicht gekümmert zu haben, denn sonst hätte er uns seinen "Bewegungsmelder" sicherlich vorenthalten.

Wenn andere eine "echte" Empfehlung (was immer dies auch sein möge) aussprechen, möchte ich nicht ganz so weit gehen, sondern vielmehr eine Empfehlung in Sachen Leseexperiment aussprechen. Doch auch diese Bezeichnung hinkt gewaltig, denn das eigentliche Experiment für den Leser besteht im Prinzip lediglich aus der vorauszusetzenden Fähigkeit, sich auf verschiedene Schreibweisen und -techniken einlassen zu können.

Es wäre banal, auf den Inhalt im Einzelnen genauer einzugehen. Wozu die klaren Gedankensekunden, denen man hier beiwohnen darf, in weitere Bestandteile zerlegen? Wozu ein Ganzes klappentextgerecht in mundgerechte Häppchen anrichten? Es gibt hier keine "Story", serviert als literarisches Fertiggericht, das es zu konsumieren gilt. Platte Beschreibungen, hirnlose Geschichten, leere Worthülsen und gesichtslose Charaktere gibt es wie Sand am Meer und die Bestsellerregale platzen aus allen Nähten und ergiessen ihren senilen Wortbrei über hungrige Herden von Gelangweilten, die nach Unterhaltung dürsten. Was hier in wenigen Zeilen zum Ausdruck kommt, schaffen die Großverdiener im Lesezirkus mitunter auf 200 Seiten nicht.

Gedachtes oder gar Gefühltes ist nicht interessant, es muss schon Mord und Totschlag sein. Wen interessieren Zweifel und die Ewigkeit des Augenblicks? 

Vielleicht sind die gemeldeten Bewegungen auch nur Ausdruck für die Angst vor Veränderung! Alles ist möglich. Aufmerksame Zeitgenossen erlauben sich einfach den Luxus, einmal genauer hinzusehen. Erschwert wird dies allerdings in den letzten vier Geschichten - den "Interventionen". Die jeweiligen Satzfragmente bleiben in ihrer Wechselverbindlichkeit zu diffus und unverbindlich. Ein Zusammenhang kann sich nur durch Vermutungen gestalten, welche genaue Betrachtung und Analyse leider allzu zwingend voraussetzen. Dies mag leider nur einem relativ kleinen Leserkreis wirklich gelingen.

Es gibt viel zu lesen in diesem kleinen Büchlein. Monatelang hat es auf meinem Nachttisch gelegen, neben und zwischen all den anderen, die da kamen und gingen. "Bewegungsmelder" verweilte etwas länger. Inzwischen habe ich zumindest zu einer einzigen Erkenntnis finden können und da bin ich mir ganz sicher: Dieses Buch kann ich niemals weggeben. Selbst wenn ich gar nichts verstanden hätte, würde ich es trotzdem vermissen. Das ist nicht alles - aber doch irgendwie viel.

 

Thomas Lawall - März 2011

 

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