Literatur

Berlin? Ja, wir hatten mal was
Eine Abrechnung


von Kati von Schwerin


160 Seiten
© Emons Verlag GmbH
www.emons-verlag.de
ISBN 978-3-7408-1832-6



Meinen Koffer noch gar nicht richtig ausgepackt, schnappte ich mir endlich "Berlin? Ja, wir hatten mal was", um das zu tun, was in Berlin so gar nicht klappen wollte. Die zahlreichen Eindrücke der Stadt, in die es vor einigen Jahren meine Tochter verschlagen hat (Heidelberg war ihr zu langweilig), verhinderten jede Konzentration auf das Buch.

Okay, eine "Abrechnung" also, wobei der Untertitel keinesfalls eine ebenso reißerische wie potentiell verkaufsfördernde Übertreibung darstellt, sondern mit diesem Prädikat eher noch satt untertreibt. Dies als Warnung für zarte Gemüter.

Denn: Kati von Schwerin lässt so etwas wie eine positive Stimmung gar nicht erst aufkommen. Das ist keine übermütige Satire, das scheint alles echt zu sein. Was einst die große Liebe war, zerbrach grandios. Ein Scheitern in Breitbandformat.

Die irreparable Trennungswut konnten selbst 43 Therapiesitzungen bei Paartherapeutin Frau "Dr. Grabow" nicht abmildern oder gar heilen. Zum Glück für uns Leserinnen und Leser, dass jene Sitzungen, zusammenfassend geschildert, erhalten geblieben sind.

So lesen wir ergriffen von einer Stadt, jener "Metropole der Belanglosigkeit", in welcher niemand lacht, wo "mutierte Radfahrer" demnächst die Macht im Straßenverkehr übernehmen, wo unzählige Baustellen jene nerven, die es besser könnten, oder wo die zeitgenössische Kunst nicht viel mehr ist als "ein zugedröhnter und geschmackloser Musicalfilm mit sinnlosen Dialogen und Schauspielern in ihren Paraderollen".

Kurzum, Berlin ist nicht mehr als "eine ganz arme Wurst, verscherbelt und vorgeführt". Fast werden die Frusttiraden gegen Ende der Streitschrift nicht unbedingt blasser, aber doch einer fast zwanghaften Monotonie immer ähnlicher. Andererseits hat diese Aneinanderreihung von Boshaftigkeiten einen ganz besonderen Reiz und ist ganz und gar nicht inhaltslos oder gar unwitzig, weshalb der Rezensent in den entsprechenden Foren volle Punktzahl, Sternchen oder was auch immer vergibt. Gut gebrüllt, Kati!

Aber Mensch, die Currywurst ist doch ganz prima, oder? Na ja gut, ich gebe gerne zu, dass sie anderswo eigentlich genauso schmeckt. Jedenfalls fast, denn wenn um so eine Wurst München oder gar Augsburg drumherum ist, kann das den "Geschmack" (wenn man bei einem solchen Gericht überhaupt davon reden kann) schon leicht negativ beeinflussen.

Die Menschheit ist ein seltsames Völkchen. Ich erinnere mich gerne an einen guten Bekannten, den ich die Tage in der "Ständigen Vertretung" wiedersah. In Essen geboren, zog er dereinst nach Ostfriesland, um nach 30 Jahren, wegen chronischer Langeweile, nach Berlin überzusiedeln, weil ihm da schlicht und einfach mehr geboten sei. Kati von Schwerin machte es umgekehrt. Das hat was.

So werden allenthalben Plätze getauscht. Das Glück ist ein Vogel, der mal hier und mal dort Platz nimmt. Als Fazit bleibt dem Rezensenten, entgegen aller gebotenen, düsteren Polemik, das dringende Wähnen, sofort wieder losfahren zu wollen. Wann gibt es endlich eine U-Bahn-Verbindung von Augsburg nach Berlin-Mitte?!

 

Thomas Lawall - Juli 2024

 

 

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