Literatur

Auge um Auge, Mord um Mord

von Peter Wehle


284 Seiten
© 2022 Gmeiner-Verlag GmbH
www.gmeiner-verlag.de
ISBN 978-3-8392-0231-9



Wenn man einen neuen Titel von Peter Wehle in Händen hält, weiß man, was man erwarten darf. Erst einmal nichts Neues, denn dass er den Schalk im Nacken hat, ist allgemein bekannt. Neu, um nicht zu sagen sehr neu, ist jedoch der aktuelle Kriminalfall, der sich von bekannten Mustern wohltuend unterscheidet.

Im Wienerwald tut sich gar Seltsames. Nicht, dass gewalttätige Überfälle in der Kriminalgeschichte etwas Ungewöhnliches darstellen würden, doch derartige schon. Zumindest in diesem Jahrhundert. Was im dunklen Mittelalter wohl gang und gäbe war, passiert vier harmlosen Spaziergänger/innen sehr aktuell. Die beiden Ehepaare werden von sieben stattlich gekleideten Rittern, die hoch zu Ross aus dem Unterholz stürmen, überfallen und ausgeraubt. Leib und Leben wird ebenfalls bedroht, was für ein männliches Opfer umgehend ernste gesundheitliche Probleme verursacht ...

Probleme gibt es auch im engeren sowie weiteren privaten Umfeld des Hofrats Magister Ludwig Halb, denn einerseits steht die Vermählung mit seiner geliebten Delia an, doch andererseits ist es gar nicht so einfach, dafür einen für beide Seiten passenden Termin zu finden. Zudem besteht noch etwas Klärungsbedarf, was Delias illustre Vergangenheit betrifft!

Für Verwirrung und unfreiwillige Komik sorgt eine Angststörung Halbs, der inzwischen zum Leiter des "Referat 3.2.1. - Gewaltkriminalität" im österreichischen Bundeskriminalamt aufgestiegen ist, denn ausgerechnet im Zusammenhang mit den "Raubritterüberfällen", sowie den anstehenden Ermittlungen, erweist sich eine Hippophobie als ausgesprochen unpassend.

Auch eine unerwartete Erbschaft macht dem Hofrat zu schaffen, denn ein Zinshaus mit elf Wohnungen will verwaltet werden. Wenn sich dann Halbs "Sozial-Gewissen" mit dem "Geld-Gewissen" gegenseitig im Weg stehen, gibt es auch hier gewisse Komplikationen.

Mit dem Lesen dieser Kriminalgeschichte dann weniger, denn die Suche nach Antworten auf die vielen Fragen, die sich allein um die aktuellen Fälle ergeben, bereitet höchsten Genuss. Und zwar Seite für Seite, wobei Wehles bildgewaltige Metapherngebirge ein ums andere Mal, zwecks besserem Verständnis oder rein aus Lust und Laune, gerne mehrmals gelesen werden wollen.

Ein paar Schmankerln sollen hier verraten werden. Sozusagen als Appetithäppchen. Es ist einfach eine Gaudi, wenn sich ein Räuspern wie eine "Probesprengung" anhört, und ein Lachen wie "berstendes Holz". Für nachhaltigen Spaß sorgen auch ein "Reserve-James-Bond" oder die allzeit lauernde Ironie im Hinblick auf die "gehobene Klasse".

Philosophisch-existenzielle Betrachtungen fehlen selbstverständlich ebenfalls nicht. Beispielsweise wenn man das Wesentliche zwar erkannt hat, es aber dennoch nicht sieht. Ganz anders eine ebenso verständliche wie glasklare Definition einer "der tödlichsten Waffen Wienerischer Umgangsformen", sowie einer "elektronischen Hundeleine".  

Es kann aufgrund der Vielzahl an Charakteren, deren Beziehungsgeflecht, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart, schon einmal recht unübersichtlich werden, weshalb eiliges Lesen, zwecks besserem Verständnis der komplexen Handlung, unangebracht ist. Zudem kommt dann der Showdown nicht zu schnell, denn jener unterscheidet sich in seiner Dramaturgie von allen anderen des Genres! Auch eine Zusatzpointe ganz am Schluss kann es ausschließlich in direktem Zusammenhang mit jenem Herrn Hofrat geben.

"Auge um Auge, Mord um Mord" ist ein restlos verkopfter Kriminalroman und ein ganz großes Vergnügen!

 

Thomas Lawall - Dezember 2022

 

 

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