Literatur

Auf dem Gipfel ist Ruh'

von Simon Ammer


302 Seiten
© 2025 Droemer Verlag
www.droemer-knaur.de
ISBN 978-3-426-44855-7



Die Lust auf Kriminalromane kann schon mal ins Stocken geraten angesichts der absoluten Überfüllung des Genres. Man hat sich vielleicht sattgelesen oder generell keine Lust mehr auf weitere Fälle, die Flut der  Haupt- und Nebendarsteller, die zahllos zu merkenden Namen, endlose Ermittlungen und allerlei langatmiges literarisches Füllmaterial.

Ganz anders in "Auf dem Gipfel ist Ruh'", denn hier fällt endlich mal wieder ein Roman aus dem gewohnten Raster. Das hat in erster Linie mit dem Herrn Oberst Benedikt Kordesch zu tun und natürlich mit seinem Erfinder und dessen ebenso ab- wie hintergründigem Humor, den er wie von Zauberhand auf seine Hauptfigur überträgt.

Kordesch kann nicht in Ruhe arbeiten, da ihm seine Kollegin Snežana Šubić, auch „Schneeflocke“ genannt, mit allerlei sinnloser Fragerei den letzten Nerv raubt. Die anstehende Hochzeit ihrer Schwester setzt sie über Gebühr unter Strom, da sie nicht weiß, was sie anziehen soll. Eine Katastrophe.

Ihr Vorgesetzter kann sie beruhigen, da sie ja nur die "Zweitschönste" an diesem Tag sein müsste. Snežana zeigt sich von dieser Aussage alles andere als begeistert, doch der Oberst weiß die Situation prompt zu entschärfen und setzt gleichzeitig noch einen drauf:

"Du kannst ihr doch nicht den Tag vermiesen, an dem sie sich ihr restliches Leben vermiest."

Bereits auf der zweiten Seite wissen Leserinnen und Leser also, wo es langgeht. Nach so einem Brüller ist entweder Schluss oder es geht erst richtig los. Entsprechende Erwartungen werden voll erfüllt, denn allein die Figur des Herrn Oberst, der mit allerlei liebenswerten Charaktereigenschaften gesegnet ist, verspricht ein besonderes Leseerlebnis.

Als Single wird er von einer "alten Freundin" geplagt, einer chronischen Gastritis. Von guten Weinen hat er keine Ahnung und von den Fachsimpeleien über den Geschmack derselben schon gar nicht. Vor Feinschmeckereien wie Oktopus, Austern und überhaupt vor allem, was dem Meer entstammt, ekelt er sich.

Notizen fertigt Kordesch handschriftlich in Hefte an, hat Angst vor E-Bikes und vor dem Autofahren, schläft bei Recherchen manchmal ein, kann großen Hunger verspüren obwohl ihm kotzübel ist, hat "Mut zum Stofftier" und zeigt sich, was die Homöopathie betrifft, als ausgesprochener "Globulisierungsgegner".

Sprachlich bewegt sich der Roman auf gehobenem Niveau. Es wird fleißig applaniert, Schmonzes präsentiert, und sogar die eine oder andere Funse oder gar ein Potschochter stehen auf der Besetzungsliste. Zum weiteren Verständnis befindet sich am Ende des Buches ein hilfreiches Verzeichnis Wiener Ausdrücke.

All die heiteren Dinge können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei diesem Kriminalroman auch um eher ernste bis abgründige Angelegenheiten, und keineswegs nur um eine Krimiklamotte der leichten Fraktion, handelt.

Der Mord an dem Zeitungsverleger Bernhard Kolin, Chef der "Sonne", sowie dessen Mutter Irmgard Kolin, sorgen für Aufregung. Die resolute Oberstaatsanwältin Wiltrud Krakauer kommandiert den ehemaligen Kriminalpolizisten und jetzigen "Bürohengst" Kordesch ab, den sie zu absolutem Stillschweigen verdonnert und zudem von ihm verlangt, den Fall alleine zu lösen.

Voller Seitenhiebe gestaltet sich die Lektüre um "einflussreiche" Damen und Herren, die als Eigentümer der größten österreichischen Boulevardzeitung mit eigenen potentiellen Sensationsmeldungen konfrontiert werden, mit ihnen umgehen und selbstverständlich zu verhindern suchen, insbesondere der "Alte", welcher nicht nur Familienoberhaupt, sondern auch "Polizei, Justiz und Gott in einer Person" ist.

Kunstvoll garniert an pointierten Dialogen und superspannender Ermittlungsarbeit geben sich hier Humor und gesellschaftspolitischer Sprengstoff die Hand.

 

Thomas Lawall - August 2025

 

 

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