Literatur

Asphaltseele


von Gregor Weber


240 Seiten
© 2016 by Gregor Weber
© 2016 der deutschsprachigen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München
www.heyne-hardcore.de
ISBN 978-3-453-27020-6



Prohaska ist glücklich. In der Waffenkammer ist er der Chef und nun hat er Ruben Rubeck zu Gast in seinen heiligen Hallen. Der ewige Kriminalkommissar, welcher ohne Ambitionen, die Karriereleiter zu bemühen, bestens auskommt, gibt sich die Ehre und allem Anschein nach hat er sich entschlossen, seinen alten Schießprügel gegen die Kanone auszutauschen, die alle besitzen.

Die P30 darf er sogleich am Schießstand ausprobieren. Trotz der aus dem Stehgreif erbrachten Leistung, hundert Kugeln ins Schwarze befördert zu haben, muss er Prohaska enttäuschen, der sich sicher war, dass er das Modell heiraten würde. Von wegen "Olle Rubeck goes einundzwanzigstes Jahrhundert". Dieser möchte nämlich lieber seine "Steinschleuder" SIG behalten, "die letzte P6 in ganz Hessen".

Diese wird gerade im kriminaltechnischen Institut untersucht, nachdem sie von der Tatortbereitschaft kassiert wurde. Vorläufig. Dabei ist ja alles klar. Es war reiner Zufall, dass Rubeck in die Schießerei geraten war. Zwei Schüsse hatte er abgegeben, die nicht einmal tödlich waren. Dumm nur, dass sich dies unmittelbar nach einem feucht-fröhlichen Besuch im "Schlabbekicker" abgespielt hatte. Zum Glück hatte er nur drei "Pilsbier" getrunken. Kleine natürlich ...

Seinen Helden beschreibt Gregor Weber als genügsamen Einzelgänger, kinderlos und natürlich geschieden. An Aufstiegsmöglichkeiten denkt er nicht im Traum. Während er sich früher als übermotiviert beschrieb, ist er heute eher untermotiviert. Auch ein Auto benötigt er nicht: "Wo soll ich privat schon groß hinwollen? Ich hab ja alles in der Nähe." Für alles andere gibt's ja schließlich U- und S-Bahn.

Asphaltseele ist eine herrlich schräge Milieustudie im Frankfurter Bahnhofsviertel und eine Parodie auf das private und lebenspraktische Chaos eines beruflich erfolgreichen Superbullen, wobei dieser Vergleich etwas hinkt. Keinesfalls möchte Ruben dem "aus der Mode gekommenen Bild des miesen Straßenbullen entsprechen". Vielmehr IST er einfach ein solcher. Und einer, der einst bei der Bundeswehr in Auslandseinsätzen lernte, zu welchen Taten Menschen im Krieg fähig waren und sind.

Auf feinfühlige Ausdrucksweisen gehobener Sprachakrobaten verzichtet Gregor Weber gänzlich. Stattdessen bedient er sich umgangssprachlicher Direktheit und einer schrägen Metaphorik. Im Frankfurter Polizei(Bullen-)alltag muss man sich als Ordnungshüter schon einmal auf Veränderungen im "Nasendesign" oder gar auf eine "vorübergehende Neuanordnung der inneren Organe" einstellen.

Eine "Asphaltseele" braucht unbedingt auch eine ebensolche Sprache. Dazu Zigaretten einer bestimmten Marke sowie das eine oder andere Bierchen samt Zubehör. Am liebsten natürlich in genanntem Etablissement.

Der Rezensent ist sich ganz sicher, dass sich der Autor und sein(e) Protagonisten dort regelmäßig treffen, um Gebrauchsanweisungen für den Lauf der Dinge zu erörtern. Beispielsweise ob es unumgänglich ist, "mal was unausgesprochen stehen zu lassen". Womöglich schafft man dann nämlich die "entscheidenden Meter bis zum nächsten sicheren Dach, ohne von der Scheißelawine erwischt zu werden."

Das Buch wird seinem Titel gerecht. Ruben Rubeck ist ein Antiheld, der allerdings genau weiß, auf welcher Seite er steht. Die "kalte Faust des Rechts" schlingert nicht zuletzt deswegen kerzengerade in ein ebenso furioses wie trickreiches Finale.

 

Thomas Lawall - Mai 2017

 

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