Literatur

Argus

von Jilliane Hoffman


496 Seiten
© 2012 by Rowohlt Verlag GmbH,
Reinbek bei Hamburg
www.rowohlt.de
ISBN 978-3-8052-0893-2



Gabriella "Gabby" Vechio ist Steuerberaterin und sie liebt ihren Beruf. In anderen Berufen gäbe es nur Probleme. Davon können einige ihrer Freundinnen ein Lied singen. Eine ist Schriftstellerin und erst nach dem langen Prozess des Schreibens weiß sie, ob es gut ist oder nicht. So ungefähr jedenfalls, denn wenn die einen sich begeistert zeigen, gibt es andere, die das Gegenteil empfinden. Ganz ähnlich geht es ihrer Freundin, der Stylistin. Hier gäbe es gleich eine ganze Reihe von Möglichkeiten, Kritik anzusetzen. Irgend jemand hat sicherlich irgendwo etwas zu kritisieren und selten sei das Ergebnis perfekt.

In der Steuerberatung hingegen sei alles anders, erklärt sie jenem Mann, den sie gerade kennengelernt hat. Ihre Freundinnen sind längst gegangen, sie aber blieb noch im "Jezebels", einer Bar in Greenwich Village in Manhatten, da sie hoffte, einen Verehrer wiederzutreffen. Gerade als sie die Suche aufgeben wollte, wurde sie von einem Unbekannten zu einem Drink eingeladen. Sie kommen ins Gespräch und sind inzwischen bei den jeweiligen Berufen angekommen. In der Steuerberatung wäre eben alles ebenso objektiv wie unzweideutig. Letztlich ginge es nur um Zahlen, die bekanntlich nicht lügen.

Gabby ist begeistert, als der attraktive Reid ihr eröffnet, er sei Filmemacher. Ihre Begeisterung bremst er allerdings etwas ab, indem er zugibt, keinesfalls der nächste James Cameron zu sein. Dennoch sei er zufrieden und als Dokumentarfilmer durchaus erfolgreich. Das echte Leben sei sowieso sehr viel aufregender als diese gigantischen Phantasiewelten. Echte Menschen zu zeigen und Momente echter Gefühle einzufangen wäre ungleich aufregender ...

Esteban "Papi" Muñoz, der Besitzer von Papito's Café, stirbt einen ungewöhnlichen Tod. Zunächst denkt man an einen Autounfall, da er rückwärtslaufend von einem Geländewagen erfasst wurde. Beim Zusammenstoß erlitt er aber lediglich zwei Rippenbrüche, wie bei der Untersuchung festgestellt wird. Todesursache war vielmehr ein Herzinfarkt. Ganz nebenbei beschäftigt sich ein junger Verkehrspolizist mit der Fragestellung, was den unglücklichen Esteban wohl so erschreckt haben könnte. Nach dem Öffnen eines Müllcontainers findet er es umgehend heraus.              

Holly Skole aus Pennsylvania, gerade einmal 19 Jahre alt, studierte an der Universität von Miami Tanz und Kommunikationswissenschaften. Nach einer Geburtstagsfeier im Hardcore-Nachtclub Menace verschwand sie spurlos. Neun Tage später findet man sie, wie Abfall entsorgt. Die Identifikation gestaltet sich problemlos. Die Handtasche liegt neben ihr im Müllcontainer. Geld und Kreditkarten sind unberührt. Der Mörder setzte andere Prioritäten ...!

Keine leichte Aufgabe für Manny Alvarez, Detective der Mordkommission des City of Miami Police Department, denn Holly ist bereits das 34. Mordopfer in diesem Jahr. Noch ahnt er nicht, welche Zusammenhänge, Ungeheuerlichkeiten und Abgründe sich im Zusammenhang mit den weiteren Ermittlungen ergeben werden ...

Nach "Cupido" und "Morpheus" hatte ich mir eigentlich geschworen, keinen weiteren Roman mehr von Jilliane Hoffman zu lesen. Ich wollte die grauenhaften Szenarien, die sich vor meinem inneren Auge wie in einem virtuellen Fotoalbum eingebrannt hatten, irgendwie wieder loswerden. Das gelang leider nicht, und deshalb schien mir jetzt eine Änderung der Strategie sinnvoll zu sein: Die Flucht nach vorne! Zudem sollte noch herausgefunden werden, wie sich die Geschichte um Serienmörder "Cupido" Bill Bantling weiterentwickelt!

Der neue Roman liegt vor und geändert hat sich wenig. Als Meisterin des Grauens tastet sich die Autorin zunächst ebenso rückblickend wie unterschwellig an die Gegebenheiten heran. Fast ein wenig zu früh, denn der Leser entwickelt spätestens auf Seite 22 eine äußerst beunruhigende Ahnung, welche Greuelszenarien sich wohl diesmal entwickeln könnten. Danach schaltet Jilliane Hoffman allerdings ein paar Gänge zurück, indem sie uns in die unmittelbare Gegenwart katapultiert. Es entwickelt sich eine trügerische Ruhe vor dem Sturm ...

Mit einem sicheren Gefühl für filmreifen Schnitt und Wechsel der Szenarien weiß sie den Leser ab der ersten Seite in Ketten zu legen. Der gewohnte zeitliche Rahmen wird gesprengt, weil sich das anfängliche Unbehagen in raffiniert kleinen Schritten bis zur Grenze des Unerträglichen und darüber hinaus entwickelt. Im Gegensatz zu den Vorgängern scheint mir die die Autorin die gewohnt entsetzlichen Szenarien einerseits etwas in den Hintergrund zu schieben und andererseits sehr gezielt, raffiniert und subtil in den Fokus der Phantasie des Lesers zu projezieren! Allein dieser Umstand nötigt mich zu der Feststellung, dass es sich bei Argus zeifellos um den besten Band der Reihe handelt.

Die Nachtruhe ungeduldiger Leser erfährt ganz erhebliche Einbußen, egal ob es sich nun um die reine Lesezeit oder darüber hinaus um die damit verbundenen Albträume handelt!

 

Thomas Lawall - Dezember 2012

 

 

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