Literatur

Anni und Alois - Arm sind wir nicht
Ein Bauernleben


von Julia Seidl u. Stefan Rosenboom


208 Seiten
© 2012 by Ludwig Verlag, München
Taschenbucherstausgabe 07/2018
www.heyne.de
ISBN 978-3-453-60469-8



Anni ist nicht wählerisch, was ihre Garderobe betrifft. Eigentlich passt hier nichts zusammen und in Sachen Farbharmonie schon gar nicht. Der Anni ist das aber herzlich egal. Es ist halt wie es ist. Es muss passen und eine Funktion haben. Bessere Kleider hat sie selbstverständlich auch. Diese braucht sie aber nur für Einkäufe oder den Gang zum Friedhof.

Zum Schlachttag darf es eine neonrote Strickjacke sein, welche die Journalistin Julia Seidl als "Farbexplosion ganz in Polyacryl" definiert. Auf dem "Einödhof" in Hilgenreith trägt man dazu noch eine ebenso bunt gemusterte wie mehrfach geflickte Schürze, die man an jenem Tag ganz besonders gut gebrauchen kann. Blutig wird es werden, weshalb der Alois gerne etwas länger im Bett liegen bleibt ...

Glücklich sind die beiden, doch längst nicht immer einer Meinung. Man geht sich dann eben aus dem Weg. Nach fünfzig Jahren Ehe kann nicht mehr viel schiefgehen. Alois ist eher der ruhigere, besonnene Typ, doch auch er kann einmal beleidigt sein. Aber nur dann, wenn Anni beleidigt ist! Meinungsverschiedenheiten gehören einfach dazu. Meint die Anni. Denn wenn es sie in einer Ehe nicht gibt, "dann ist einer ein Trottel".

Mit der modernen Konsumgesellschaft haben die beiden nichts am Hut. Man braucht nicht viel und als Selbstversorger sowieso nicht. Gemüse, Obst und Fleisch gibt es auf dem Hof, und ein Auto, Warmwasser oder gar eine Heizung braucht es nicht. Hin und wieder muss jedoch ein Supermarkt im Nachbardorf für Kleinigkeiten herhalten. Alle vier Wochen etwa macht sich Anni deshalb auf den Weg nach Innernzell. Mit ihrem "Bulldog".

Mit großem Respekt begleiteten Julia Sidl und der Fotograf Stefan Rosenboom das unkonventionelle Ehepaar über ein ganzes Jahr. Man sollte nicht glauben, wie viel Arbeit ein solches Leben macht. "Einfach" ist es, jedoch nur aus einem bestimmten Blickwinkel heraus. Der Reichtum, den Anni und Alois täglich erleben, ist ein anderer. Dies in jenem Buch zu beschreiben und abzubilden ist sehr gelungen! 

Ein ganz normales Leben. Und doch ein besonderes. Alois Sigl bringt es gerne auf den Punkt, und auch in dieser existenziellen Angelegenheit bedient er sich keiner ausschweifenden Formulierungen. Ein besseres Schlusswort kann es somit nicht geben:

"So wie wir es hier haben, ist es richtig. Aus. Amen."

 

Thomas Lawall - August 2018

 

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