Angst vor Lyrik
von Moritz Hürtgen
144 Seiten © Verlag Antje Kunstmann 2019 www.kunstmann.de ISBN 978-3-95614-319-9
"Angst essen Seele auf" heißt ein Film von Rainer Werner Fassbinder. Dem Thema Angst widmet sich auch Moritz Hürtgen in seinem ganz und gar unkonventionellen Gedichtband.
Man bekommt es, ob der Bandbreite, tatsächlich mit der sprichwörtlichen Angst zu tun, und wer zum chronisch ängstlichen Teil der Gesellschaft zählt, hat gar ganz schlechte Karten.
Denn: Wer noch nicht wissen sollte, vor was man alles Angst haben kann, bekommt hier eine Breitseite nach der anderen vor den Bug geknallt. Eine wahrlich umfassende Anleitung zum Unglücklichsein.
Angst vor dem Fliegen oder vor Mutter und Vater sind ja noch relativ normal. Bei Funklöchern fängt es jedoch an, seltsam zu werden. Bindungsängste sind die nächste Steigerung und richtig kompliziert wird es mit der Angst vor Selbsthilfegruppen.
Eine gewisse Eskalationsstufe ist erreicht, wenn die Ängste vor Gott und anderen Außerirdischen geschürt werden. Und fast noch schlimmer: Wer hätte gedacht, dass Zimmerpflanzen die Menschheit hassen?
"Bald wird ihr Teufelsplan vollbracht, Für den sie Kräfte schöpfen."
Tausend Antworten bekommt man auf Fragen, die man nie zu fragen gewagt hat, doch ebenso viele, nicht selten existenzielle, Fragen bleiben unbeantwortet, beispielsweise warum der Herbst nicht "bedichtet" wird. Oder was wohl schlimmer ist, die Angst vor dem Versagen oder dem "Verssagen".
Derart kräftig eingeschenkt bekommt man selten. Die nackte Wahrheit schon gar nicht. Früher war alles besser. Der sporadische Kontakt zu Nachbarn, Freunden oder gar Familie hielt sich in gesunden Grenzen:
"Vor Facebook kamen wir gut klar, Weil wir uns fast nicht kannten."
Am Ende wirkt sich die Kette aneinandergereihter Tragödien allerdings ins Gegenteil um. Und das ist wahrlich praktische Lebenshilfe. So viel Angst gibt es ja gar nicht.
Ha, und Angst vor Lyrik geht schon mal gar nicht.
Oder etwa doch?
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