Literatur

Angriff der Killerkekse
Reportagen und Geschichten vom täglichen Wahnsinn


von Wilhelm Ruprecht Frieling


176 Seiten
2. Auflage September 2008
© Wilhelm Ruprecht Frieling
©2008 der Paperback-Ausgabe: Internet-Buchverlag, Berlin
ISBN 978-3-941286-10-8


"Hilfeee!"
"Klingt wie Donald! Halt aus, ich komme!"
"Gurgel!"
"Festhalten! Bin gleich da!"

... nachdem ich die originelle Verpackung, die aus der Doppelseite eines alten Micky-Maus-Heftchen besteht und fortan ein Dasein als Lesezeichen fristen wird, ausgelesen habe, halte ich ein Buch in Händen, das mich irgendwie so schräg von der Seite anmacht ...

Es gibt Bücher wie Sand am Meer. Es gibt Bücher, die starren dich an oder lassen dich kalt. Es gibt Bücher, die in der eigenen Langeweile ersticken und solche, die Neugier entfachen. Es gibt geduldige Bücher und es gibt vorwitzige Bücher. Ganz selten sind aber Bücher, die sprechen können! Ein Exemplar dieser Spezies habe ich heute bekommen. Nicht im Traum dachte ich zunächst daran, heute noch mit dem Lesen zu beginnen, geschweige denn, das Buch in einem Durchgang zu lesen. Es lagen andere Dinge an ...

Also, auf den Stapel damit, wobei ich einen der oberen Plätze reserviert habe. Irgendwie blieb ich noch kurz am Titelbild kleben und ärgerte mich, dass man der wohlproportionierten Dame nicht ein wenig tiefer unter den Rock schauen kann. Dann ergab sich noch die Frage, was sie wohl in dem kleinen Fenster da oben zu schaffen hat. Faszinierend auch das winzige Stück blauen Himmels, welches mich sicherlich noch eine Weile beschäftigen wird.

Ich wollte schon das Weite suchen, fand es aber nicht, denn plötzlich plapperte eine Stimme:

"Das ist kein Dali, du Kunstbanause!"

"Was geht, wer spricht?" fragte ich, leicht neben der Rolle. Es entwickelte sich folgender Dialog:

"Na dein neues Buch hier. Gestatten, Angriff der Killerkekse mein Name."
"Angenehm, Thomas Lawall."
"Du mich auch."
"Ganz schön vorlaut."
"Kann ich nichts dafür. Mein Schöpfer ist schuld."
"Schon klar, was liegt an?"
"Das ist kein Dali."
"Kannst du meine Gedanken lesen?"
"Ja, und jetzt mach mich auf und bilde dich weiter. Trottel!"
"Aha, Jan Bouman heißt der Künstler."
"Wieder was dazugelernt, gell?"
"Danke, und jetzt?"
"Lies mich gefälligst und zwar sofort."
"Na gut."

Ähnliche "Diskussionen" hege und pflege ich mit meiner Allmächtigen und im Laufe der Jahre habe ich etwas gewonnen. Nämlich die Einsicht, ab einem gewissen Punkt nicht mehr zu widersprechen. Nachgeben hat man das früher genannt. Und das soll ja angeblich klug sein. Ha!

Mit einem großen gelben Auto fängt es an. Sofort hält das Buch sein Maul und ergibt sich in ein selbstzufriedenes, wohliges Schweigen. Es hat gesiegt und lehnt sich selbstbewusst in der sicheren Gewissheit zurück, bis zum Ende nicht mehr aus der Hand gelegt zu werden!

Tatsächlich habe ich nicht die geringste Chance, den Geschichten von Wilhelm Ruprecht Frieling zu entfliehen. Ich tauche ab in die unendliche Leichtigkeit des Seins und seine Stilblüten, die es täglich treibt. Es soll ja Menschen geben, die sich im Sumpf des Alltags verlieren, um schließlich daran zugrunde zu gehen. Das graue Einerlei, die Rituale, der Selbstzweck, die Gleichgültigkeit und Sinnlosigkeit scheinen zu erdrücken. Doch allzu leicht wird übersehen, wie unsäglich lustig es sein kann, den Standort der Betrachtung einfach zu verlagern. Viele haben übersehen, dass im alltäglichen Geschehen tausendfach der Wahnwitz lauert.

Die vergessene Gabe, dies zu erkennen, bringt uns der Berliner Autor zurück und bekehrt uns zu einer etwas lockereren Sichtweise der Dinge. Ich werde mich jetzt allerdings hüten, dem geneigten Leser etwas von Edelversendern, Zeitschriftenbergen und fetten Ungetümen in Flugzeugen sowie von den Freuden des Langlaufs im Erzgebirge zu erzählen. Kein Wort will ich auch über hungrige polnische Putzfrauen, bakterielle Asylantenheime und den Irrglauben, mit Geldausgeben Geld verdienen zu können, verlieren. Null Infos gibt es auch über Ekelgetier in Bademänteln, Gedanken an Belohnungssex beim Hoseneinkauf, Frauen in Nahkampfpanzern oder das altdeutsche Weihnachtslied "Macht auf das Maul, den Gürtel weit ...". Wie es sich mit vergiftetem Fleisch und Gemüse verhält, wie wir alle Papst sind und wie Karl Lagerfeld schlagartig zwanzig Kilo verloren hat, kann ich ebenfalls nicht verraten ...

... und ernte auch keinerlei Widerspruch des Buches. Na sieh mal einer an! Es hat wohl seine Bestimmung erfüllt, indem es mich dazu nötigte, seine Botschaft in die weite Welt zu tragen, damit seine zahllosen Brüder und Schwestern ebenfalls ihrem einzigen Lebenszweck zugeführt werden. Und sie haben es wahrlich verdient, denn Wilhelm Ruprecht Frieling hat ...

"Das reicht!"
"Wie bitte?"
"Es reicht. Genug gequatscht!"
"OK, aber was willst du dann noch?"
"Auf deinen Nachttisch."
"Was? Du weißt, dass nur ganz besondere ..."
"Auf deinen Nachttisch, sofort!"
" Überredet."

So - und jetzt in Echtzeit: Ich falte das zitierte Lesezeichen zusammen ... einmal, zweimal, dreimal ... so ... und füge es auf Seite 116 ein. Das könnte meine Lieblingsgeschichte werden. "Bayreuth wagnert in Apricot" (hier erklärt es sich übrigens, weshalb Herr Lagerfeld so viel und so schnell abgenommen hat!). Ich stehe jetzt auf, schlüpfe in die Hauspantoffeln, und marschiere in die Schlafstube. Moment jetzt ... ok, Licht wieder aus ... vorbei am Tannenbaum und da bin ich wieder. ANGRIFF DER KILLERKEKSE liegt jetzt auf meinem Nachttisch ... und prompt vermisse ich es!

Was lag heute Mittag eigentlich an?

 

Thomas Lawall - 22. Dezember 2009

 

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