Literatur

Als ich einmal in den Canal Grande fiel

von Petra Reski


284 Seiten
Erweiterte Taschenbuchausgabe April 2023
© 2021 Droemer Verlag
www.droemer.de
ISBN 978-3-426-30306-1



Locker vom Hocker formuliert kommt dieser Titel daher und wirkt auf den ersten Blick wie ein geschickt platzierter Slogan aus der Abteilung für Verkaufsförderung. Wer da nicht neugierig wird, ist selber schuld, auch wenn die Aussage womöglich frei erfunden ist. Was für ein schöner Irrtum... 

... denn dazu erzählt uns die Autorin eine außerordentlich originelle Geschichte, die hier jetzt aber nicht in allen Details verraten werden soll. Im allgemeinen geht es um Reaktionen der Touristen und Einheimischen und im besonderen um einen Telefonanruf. Nur so viel: Diesen Sturz gab es wirklich.

Und den Umzug nach Venedig in 1991 ebenfalls, denn die Liebe ging hier einen ganz besonderen Weg. Sie lernte einen Mann kennen, den sie im Buch nicht beim Namen nennt, sondern liebevoll diskret stets "den Venezianer" oder "den Venezianer meines Herzens". Was sie uns sehr wohl verrät, ist das, was er tut. Venedigs Vergangenheit sei seine ständige Gegenwart, weshalb er diese Stadt mit völlig anderen Augen als die meisten anderen sieht. Sein Interesse gilt Venedigs Kulturschatz im ganzheitlichen Sinn, egal ob es um alte Handschriften oder den drohenden Verfall uralter Gebäude geht.

Wer schon einmal oder auch öfter die Gelegenheit hatte, die schönste Stadt der Welt besuchen zu können, wird ahnen, dass sich der Inhalt dieses Buches sehr ambivalent gestalten muss. Denn auch wer der tiefgreifenden Bilderflut, die einem dort an jeder Ecke begegnet, restlos verfallen ist, und wer diese Stadt auch von "innen" zu sehen und zu erleben in der Lage ist, muss zwangsläufig auch die Schattenseiten spüren.

Petra Reski kennt sie zur Genüge, denn nach über dreißig Jahren ist sie schon fast eine echte Venezianerin und weiß wahrlich beseelte Loblieder über jene Stadt zu singen, die "aus nichts als aus flirrender Poesie besteht". Immer wieder beschreibt sie Situationen, die manchmal nur Momente in einem besonderen Licht sein können, immer dann, wenn sie "Venedigs Schönheit eiskalt erwischt".

Selbst "dem Venezianer" geht es manchmal nicht anders, wenn er, die Arme ausbreitend, über den Markusplatz läuft und stehen bleibt:

"Weißt du, ein ganzes Leben reicht nicht aus, um das hier alles wertzuschätzen."

Leider gibt es gewaltige Schattenseiten. Bei genauerer Betrachtung vielleicht sogar weit mehr als die sonnigen Seiten. Es sind natürlich die über 30 Millionen Touristen jährlich, die nach Corona wieder langsam anlaufenden Haltestationen riesiger Kreuzfahrtschiffe und die maßlose Vergewaltigung der Lagune. Die Autorin erklärt Zusammenhänge, die man bisher vielleicht noch nicht kannte. Vom Sinn und Unsinn der Flutsperrwerke M.O.S.E. hat man so auch noch nicht gehört und schon gar nicht von der Sache mit der "Resonanzfrequenz"... 

Wenn sich aber Stadtverwaltung und Politik stets nur auf Gewinnmaximierung fixieren, wird es schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, die Stadt vor dem möglichen Untergang zu bewahren, der laut Klimaforschern bereits unvermeidbar scheint. Touristen wird das drohende Szenario nicht abhalten, Venedig weiter zu besuchen. Nur eine konsequente Reglementierung in allen Bereichen würde helfen. Und vielleicht die Aktionen der Autorin und ihren einheimischen Mitstreitern, was hoffentlich mehr als ein frommer Wunsch sein möge.

 

Thomas Lawall - Juli 2023

 

 

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