Literatur

Alles spricht

von Nicolò Targhetta


288 Seiten
© der deutschen Ausgabe:
Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2022
www.kunstmann.de
ISBN 978-3-95614-507-0



Psychologen sind sich weitgehend einig, wenn es um die Problematik jener Menschen geht, die regelmäßig mit Gegenständen sprechen. Das sei völlig normal, sagen sie übereinstimmend. Eine Behandlung sei erst angezeigt, wenn die Gegenstände antworten würden...

Wenn dies so wäre, sollte sich die namenlose Hauptdarstellerin in "Alles spricht" schleunigst in Therapie begeben. Schnell wird aber klar, dass sie eine solche weder anstrebt noch benötigt. Sie steht mit beiden Beinen auf festem Boden, auch wenn dies zunächst nicht so aussieht. Den Lebensabschnittsgefährten und den Job verloren, scheint zunächst das exakte Gegenteil der Fall zu sein.

Ihr gesamter Lebensentwurf bricht in sich zusammen, doch wie es aussieht, hat sie ein ganz bestimmtes System entwickelt, sich allen Widrigkeiten zu stellen, um zunächst einmal alles in Frage zu stellen und das Puzzle ihres bisherigen Lebens Stück für Stück zu zerlegen. Diese Prozedur ist mühsam, schier unerträglich aber gleichzeitig sehr lustig.

Vor allem, wie Nicolò Targhetta diese Geschichte erzählt. Ebenso frech wie spontan und geistreich. Der Buchtitel ist absolut wörtlich zu nehmen, denn hier spricht wirklich alles. Es beginnt relativ harmlos. Mit einem Aschenbecher. Dieser stellt eine Frage grundsätzlicher Art. Wer hätte das gedacht.

Eine Ausnahme war dies jedoch nicht, denn was jetzt beginnt, ist eine wahnwitzige Irrfahrt, die letztlich eine komplette Loslösung aus einem zementierten Alltag bedeutet. Dreißig Jahre zum Abhaken. Alles auf Null. Defragmentieren und Neustart. Doch das dauert ...

Zur Freude aller Leserinnen und Leser. Dramatisch ja, aber nicht traurig und der Welt entrückt. Denn es gibt ja die Weisheit von Zimmerpflanzen, Tabletten, Kreditkarten und Sofas. Und wenn Körperteile, Tageszeiten oder gar Emotionen zu sprechen beginnen, wird es schräg. Manchmal auch seltsam bekannt. Hatte man nicht hin und wieder schon einmal ähnliche Kommunikationsansätze bei sich selbst entdeckt?

Seinen extremen Humor belegt der italienische Autor bereits mit dem Inhalt der ersten drei Kapitel. Hat man so auch noch nicht gelesen - wie das ganze Buch übrigens auch. Und jedes, wirklich jedes Mal, wenn man glaubt, es könnte keine Steigerung mehr geben, schüttelt der Autor ein weiteres Ass aus dem Ärmel. Absurde Situationen, die aber niemals in billigen Klamauk abdriften. Selbst neu erfundene Adjektive und Substantive lassen staunen.

So macht Hinfallen Spaß. Indirekte Lebenshilfe. Sich und dem mitunter aussichtslosen Leben eine Pappnase aufsetzen. Und immer wieder diese verdammten Beziehungskisten.

"Wieso haben Menschen keinen Klappentext"?

Nichts ist wie in anderen Büchern. "Flüssig geschrieben" war gestern. Neue Themen und ein ebensolches Tempo sind angesagt. Lesen auf der Überholspur.

 

Thomas Lawall - Mai 2022

 

 

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