All'Italiana! Wie ich versuchte, Italienerin zu werden
von Petra Reski
302 Seiten © 2024 Droemer Verlag www.droemer-knaur.de ISBN 978-3-426-44768-0
Was ist passiert, wenn man auf dem Weg zum Zeitungshändler neuerdings an gotischen Palästen und barocken Kirchen vorbeikommt? Das kann einem ziemlich gut in Venedig passieren, dort, wo "die Vergangenheit ständige Gegenwart ist".
Ein Sprachkurs in der Toskana war 1989 wahrscheinlich DIE Idee Petra Reskis. Die Aufgaben, die man ihr im Auslandsressort des "Sterns" zugedacht hatte, füllten sie nicht aus. Da in dieser Abteilung niemand des Italienischen mächtig war, betrachtete sie den Kurs als "Investition in ihre Zukunft". Sie sollte sich nicht irren, auch wenn sie damals wohl nicht ahnen konnte, wie sehr sich die Investition lohnen würde.
Nach Beendigung des Kurses wurde sie prompt für eine Reportage nach Sizilien geschickt. Auf dem Rückweg machte sie für ein Interview einen Zwischenstopp in Venedig. Mit mäßigem Erfolg (eigentlich gar keinem), aber dafür bahnte sich eine grundlegende, sehr private Veränderung an. Sie lernt "den Italiener" ihres Lebens" kennen.
Da man ja nicht permanent Privates erzählen kann (und will), müssen andere Themenbereiche sich dazu gesellen, zum Beispiel Politik und Gesellschaft. Insbesondere den politischen Teil verknüpft sie mit ihrer eigenen Geschichte, wobei dieser dann nicht ganz unanstrengend zu lesen und zu verarbeiten ist.
Beeindruckend ist jedoch ohne Zweifel die Sachkenntnis der Autorin, die aber wiederum politisch nicht so Bewanderten einiges abverlangt. Teilweise gar zu viel, denn schließlich erwartete man so viel sachbuchartigen Charakter nicht unbedingt. Gut immerhin, dass hartnäckige Leserinnen und Leser dergestalt belohnt werden, indem sie fast automatisch (gezwungenermaßen) etwas dazu lernen.
Logischerweise gestaltet sich die italienische Politik ebenso abwechslungsreich wie kaum verständlich, weshalb Petra Reski mit allerlei weitergehenden, typisch italienischen Eigen- und Besonderheiten ihr Portrait des Landes auflockert. Das beginnt schon bei sehr speziellen Vergangenheitsformen in der italienischen Grammatik, die sie ganz allgemein "in einem gigantischen Meer ohne Aussicht auf ein Ufer" treiben lässt.
Gesellschaftlich gibt es selbstverständlich ebenfalls jede Menge Kuriositäten, was die Autorin gleich auf den ersten Seiten äußerst pointiert zu berichten weiß. Verraten werden soll das hier aber nicht so genau. Nur so viel: Im Prinzip geht es (auch) um den Unterschied von "normal" und "nicht richtig", wer und warum in Italien als "Mutant" gilt, oder welche Wirren ein bestimmtes Satzzeichen auslösen kann.
Auch der Gebrauch von Schimpfwörtern oder dem Fluchen ganz allgemein erfordert eine Menge Fingerspitzengefühl, wobei das italienische Fluchen viel schöner als das deutsche ist. Um Frisuren und Haarfarben geht es übrigens auch, und hier zeigt die Autorin ihren ganz besonderen Humor. Beispielsweise weiß sie am Rande (einen Knaller) zu erzählen, unter welchen Umständen sie die Notwendigkeit sieht, sich "brünett abgrenzen" zu müssen.
Naja gut... so kann man sich verzetteln. Eigentlich dreht es sich in der Hauptsache ja um Petra Reskis selbstgestecktes Ziel, schnellstmöglich die italienische Staatsbürgerschaft zu erhalten, was ja wohl nicht so schwierig sein kann, wenn man seit 1991 in Italien lebt und zudem mit einem Italiener verheiratet ist.
Das ist natürlich ein Irrtum, wie unschwer zu erraten ist. Allen, die wissen möchten, WIE schwierig, sei diese Lektüre empfohlen, eine sehr gelungene Fusion aus Geschichtsbuch, Sachbuch, Biografie, Reiseführer und einer wohldosierten Prise Liebesroman. Jene bezieht sich auf einen ganz bestimmten Venezianer, sowie letztlich auf das ganze Land.
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