Literatur / Gedichte

Heimatlicht

Gedichte von LEON VANDERSEE (um 1900)

Endgültige Lyrik

Dieses Buch ist mein Buch der Bücher! Es begleitet mich, auf einem Flohmarkt in Wiesbaden für lächerliche eine Mark erstanden, nun schon seit über dreißig Jahren! Von seiner Intensität nichts aber auch gar nichts verloren, liegt es noch immer auf meinem Nachttisch. Und so lange ich lebe, wird das auch wohl so bleiben! Wir haben das www durchkämmt - aber so gut wie gar nix gefunden! Wieso wurde DIESE Frau offenbar einfach vergessen...???       
Ich weiß nicht was es ist und warum - aber es gelingt mir NICHT, auch nur ein einziges Gedicht laut vorzulesen, ohne in Tränen auszubrechen!!! Und das nach all dieser Zeit!!!
Es gibt und es wird niemals jemanden geben, der die Sehnsucht und die Enttäuschung abgründiger zu formulieren in der Lage ist! Ich möchte wissen, was dieser Frau widerfahren ist, ich möchte wissen, wer diesen Mensch so geschändet hat, ich möchte wissen, welche Umstände derart mächtiges Leiden verursacht haben...

Gedichte sind Momentaufnahmen unserer Seele, die nur entstehen können, wenn unser Verstand auf "Bildungsreise" ist. Nur in diesen Momenten finden wir zu uns selbst... und sehen in dieser Sekunde schöne oder sehr schreckliche Dinge. So wie wir eben sind und (wirklich) denken und leben und fühlen... bis dann das rationale Element aus dem (wieder mal viel zu kurzen) Urlaub zurück kommt und wieder sämtliche Türen verrammelt!!!

Gelehrt haben uns das so wunderbare Bücher wie "Im Atemhaus wohnen", "Blinder Sommer", "Ich zähl die Sterne meiner Worte" (Rose Ausländer), "Keine Angst dich zu verlieren" (Jörn Pfennig) oder "Erlkönigs Tochter" und "Schneewärme" (Sarah Kirsch)!

Doch Leon Vandersee "schrieb" nicht nur - sie ertrank in den eigenen Worten! Und sie nimmt den Leser gleich mit! Endloses Leid, uferlose Sehnsucht, maßlose Enttäuschung... und diese Trauer ist einfach entsetzlich!!! Diese Zeilen sind Musik... aber so eine traurige wird es niemals geben...!

Äh gut. Überschriften sind ja bei Gedichten mitunter die halbe Miete. Leon Vandersee trieb das aber auf die Spitze! Allein der Buchtitel "Heimatlicht" verheißt irgendwie ganz und gar nichts Gutes...
Bereits das Inhaltsverzeichnis bestätigt dies mit dem emotionalen Vorschlaghammer, unterteilt in Kapitel wie "Meine Träume sind schuld", "Aus dunklen Gärten" oder "Im Fieber"...

Die Titel der Verse geben mir dann fast schon den Rest. "Oft hör ich ein leises Singen",
"Ich bin allein", "Sie ging so stumm", "Ach, nur ein Wort", "Und weißt Du, was ich tat?", "Vorbei", "Dein Blick geht in die Weite"...

Jedes einzelne Wort (auch wenn Frau Vandersee mitunter - aus heutiger Sicht - ins Kitschige abdriftet) vermag mich an sämtlichen verwundbaren Stellen zu treffen. Warum, weiß ich bis heute nicht!

Sind es nun Zeilen wie: "Die Sehnsucht hat mich das Weinen gelehrt" (Bei Nacht), "So gib mir doch das Kraut Vergessenheit" (Vergessen), "Will träumen, dass ein Herz auf Erden noch für mich schlägt" (Zuflucht), "Nur ein kleines Weilchen möcht mein Herz sich sonnen" (Frühlingsatem), "Träume nur, junges Menschenkind, träume von Glück, auch dein Tag verrinnt" (Träume nur) oder gar "Bald, ich fühl's ist meine Zeit dahin" (Wenn ich tot bin), oder was?
Keine Ahnung!

Leon Vandersee erzählt uns "Das Märchen vom Glück". Sehr gerne würde ich sie treffen wollen und erzählen, dass Glück nicht unbedingt ein Märchen bleiben muss...! Denn "weltfern" traf ich einst den Zufall Glück...

"In Deinen Augen dämmern Seeligkeiten -
O' laß mich nie mehr in die Welt zurück."

Also gut. Was war bloß mit dieser Frau los oder sollte ich mich fragen: Was ist bloß mit mir los???? Vielleicht sind ja nur "meine Träume schuld"...?
Mein privates Lebensdrama hat inzwischen längst eine überraschende Wendung genommen! Doch die Vergangenheit ist feste Größe und sie bleibt. Für immer. Leon hat das in unsterblichen Worten in die Ewigkeit formuliert... und da finde ich mich wieder! Jedenfalls bis zu dem Tag, an dem ALLES anders wurde...

 

Für Mary!
 

Thomas Lawall - Dezember 2003 (Überarbeitet im November 2004)

 

 

 

Nachwort und die Suche nach Leon

Fündig wurden wir im Web lediglich bei der DSS (Deutsche Schillerstiftung). Leider nur eine "Vollanzeige" mit minimalen pers. Daten. Nicht einmal ein Geburtsdatum scheint bekannt zu sein! Gibt's das? In meinem Besitz befinden sich die erste (Original-)Ausgabe, die Ausgabe 9. bis 12. Tausend sowie die dritte (vermehrte), die vierte (durch Gedichte aus dem Nachlass erweiterte) und fünfte (unveränderte) Auflage. In der vierten Auflage sind übrigens zwei handschriftliche Eintragungen/Widmungen einer Frau K. R. (vollst. Name der Redaktion bekannt) vom 17.11.1917! Also wer irgend etwas weiß, möchte sich doch bitte bei uns melden. DANKE!!!

Und wer jetzt meint, Leon Vandersee sei so eine Art Vorbild für einen Hobby-Lyriker wie mich, der hat v-ö-l-l-i-g recht! Outing perfekt...! Mir kann es aber egal sein. denn diese Größe werde ich sowieso nie erreichen...

Heimatlicht von Leon Vandersee,
ersch. im Verlag von W. Vobach & Co. Berlin, Leipzig, Wien
Foto: Heliogr.& Druck von Dr. Albert & Co. München - Berlin

 

 

 

Nachtrag 20.12.2009:
Auf “Die Deutsche Gedichtebibliothek - Gesamtverzeichnis deutschsprachiger Gedichte” ist mittlerweile eine kurze Biografie von Leon Vandersee nachzulesen sowie ihre mittlerweile urheberfreien Gedichte.

 

 

 

*Tiedemann, Frl. Helene, Ps. Leon Vandersee, Berlin, Kulmstrasse 29, ist die Tochter des Dr. Ludwig Tiedemann aus Stralsund. Derselbe hatte seiner Witwe ein bedeutendes Vermögen hinterlassen, doch hatte sie es durch schlechte Berater verloren, so dass die zurückgebliebene Familie den Kampf ums Dasein aufnehmen musste. Helene bethätigte sich schriftstellerisch. Seit 1894 veröffentlichte sie unter dem Pseudonym Leon Vandersee Gedichte, kleine Novellen, Skizzen und Plaudereien in den verschiedensten Zeitschriften, wie: »Deutsche Frauenzeitung«, »Dichterheim«, »Roman-Bibliothek«, »Fliegende Blätter«, »Hausfrauenzeitung« u.v.a. Seit kurzem ist sie in der Redaktion des christlichen Zeitschriftenvereins thätig.

Quelle: Pataky, Sophie: Lexikon deutscher Frauen der Feder Bd. 2. Berlin, 1898., S. 370.

 

 

 

www.gerardbunk.de/weitere-werke/lieder.htm - siehe Opus 39!

 

 

 

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