WAGNER meets Cuba (2004)
Parsifal goes la Habana
Also das nenne ich mal eine wirklich originelle Idee! Die absolut erträgliche Leichtigkeit der kubanischen Musikkultur mit der abgründigen Schwermut Richard Wagners in Einklang zu bringen, dürfte in der Musikgeschichte ein ziemlich einmaliges Projekt darstellen, obwohl ich mit den beiden anderen (mir nicht bekannten) Projekten der Albumtrilogie von Ben Lierhouse "Wagner meets New York" bzw. "... meets Spain" wohl weiteres Neuland zu bereisen haben werde...
Es ist nicht nur ein gewagtes Unternehmen, sondern auch eine verdammt lustige, ja fast unverschämte Idee! Nun musiziert man in Kuba ja nicht gerade heftig im Sinne von tieflastiger Traurigkeit. Umgekehrt dürfte den Hardlinern der elitären Wagner-Gemeinde wohl der gepflegte Gaul durchgehen, wenn derart "leichtes" Getön die Walhalla mit buntem Luftpostpapier zu tapezieren versucht... und das auch noch mit Erfolg!
Nun geht es mir so, dass ich mich an dieser vermeintlichen Merkwürdigkeit gar nicht satt hören kann. Waren es nicht Schlagzeug, Percussion, E-Bass und -Gitarre, die ich in der klassischen Musik schon immer vermisst habe...? Was wäre gewesen, wenn Richard Wagner dieses Instrumentarium ebenfalls zur Verfügung gestanden hätte...? Öhm ja...
Die vollkommen geniale Einbindung des Trauermarsches aus dem dritten Akt der GÖTTERDÄMMERUNG in "Radio-Introduction" ist ja wohl mehr als berauschend und magisch... und auf den ersten "Blick" gar nicht hörbar. Gut, dass an der entsprechenden Stelle (wie auch an allen anderen) ein kleines Icon mit dem Portrait des Meisters erscheint, um auf das Original hinzuweisen. Per Enter-Funktion lässt sich gar auf das eingebundene Original umschalten!!! Mitunter kommt erst dann das Aha-Erlebnis, denn die Zitate sind (teilweise) ausgesprochen raffiniert in einen neuen Zusammenhang gestellt worden, während z.B. in "Just married" der Brautchor aus LOHENGRIN reichlich unschwerer zu erkennen ist. Ebenso eindeutig ist die Ouvertüre zu TANNHÄUSER in "Venus is waiting" und der PARSIFAL in Track 5 "The way to the Light"... ach...
"Morning in Pinar del Rio" begeistert mit SIEGFRIED und... keine Ahnung was das jetzt ist - Mambo, Rumba, Son Cubano, Salsa, Danzón oder Calypso... egal. Wie kommt man bloß auf die Idee, ausgerechnet das verhaltene Siegfried-Idyll in eine derart beschwingte Form zu zwängen... äh, zu dehnen...??? Also, ich schmeiss mich weg! Das hat was!! Einer lahmen Gurke wachsen Füße... und die bewegen sich im Takt. Gibt's nicht...!
Mehr als aufregend sind die weiteren Fusionen in Richtung TRISTAN UND ISOLDE und dem HOLLÄNDER. Diese Dramatik passt in tausend Jahren nicht in einen afro-kubanischen Kontext, könnte man meinen. Ben Lierhouse mit seinem Gateway-Symphony-Orchestra und Gastmusikern beweisen das Gegenteil!!!
Wenig berauschend ist das Bildersammelsurium im Feature "Cuba Feeling". Das gesamte Konzert mit wenig aussagekräftigen Impressionen aus Havanna zu unterlegen kommt irgendwie billig - fast wie ein Amateur-Urlaubsvideo -, zudem scheint die Auswahl auch noch eher wahl- und lieblos getroffen worden zu sein. Die "Specials" sind ein (schlechter) Witz: Werbung für die o.g. Projekte und ein lächerliches "Making of", welches lediglich eine Handvoll Konzertfotos beinhaltet. Schade eigentlich!
Die Sound- und Klangqualität ist allerdings überragend!
Fazit: Eine wirklich ganz herzerfrischende Reise in eine "Welt", die es gar nicht gibt!!!
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