Literatur

Wörterbuch der Alltagssprache Österreichs

von Robert Sedlaczek


336 Seiten
© 2011 Haymon-Taschenbuch, Innsbruck-Wien
www.haymonverlag.at
ISBN 978-3-85218-873-7



Ein vermeintliches Interview als Einleitung ist eine gute Idee, wenn es auch eher ein gestelltes ist - ein konstruiertes Frage- und Antwortspiel, welches Robert Sedlaczek und seine Frau Melita gemeinsam gestalten und beantworten. Ein unkonventionelles Wörterbuch braucht einen ebensolchen Einstieg und keinesfalls ein Vorwort im klassischen Sinne. Allein dieses Interview würde eine genauere Betrachtung verdienen, doch bereits der Informationsgehalt dieser elf Seiten würde den Rahmen dieser Rezension sprengen. Als Beispiel seien die Herren Thomas Gottschalk und Günther Jauch genannt, die an einer Stelle eine besondere Breitseite einstecken müssen. Da der Autor weiß, dass die beiden eine solche locker wegstecken, macht es umsomehr Spaß. Thema ist das "Ringerl über dem a-Laut".

Ein jeder kennt ja das helle a, wie beispielsweise in Halawachel (Schludrian, oberflächlicher Mensch), Pallawatsch (Dummheit, Durcheinander), Safaladi (Zervelatwurst, Lüge, Unfug) oder bagschierlich (herzig, possierlich, streitsüchtig). Ebenso bekannt sind im Gegensatz dazu die "verdunkelten" a-Laute, die für die meisten der österreichischen Mundartgebiete so überaus typisch sind, wie zum Beispiel åbschasseln (brüsk abweisen, fortjagen), måchen (eine verbrecherische Tat verüben), Schåchtelwirt (jugendsprl., scherzh.: McDonald's-Restaurant) oder Dåmpfplauderer (Schwätzer).

Wirklich jeder kennt den Unterschied, nur die genannten Herren nicht. Man sagt nicht Schnaps, sondern Schnåps. Soweit so klar. Sobald man aber schnapselt, also Schnåps trinkt, wird aus dem verdunkelten a wieder ein helles a (es sei denn, man hat zu viel Schnåps geschnapselt). Knackpunkt und Faustregel sind die -l-Einschübe, sowie die Endungen mit -(e)l, -erl, -le, -li, die eine Verdunkelung ausschließen. Dies sollte man also bedenken, wenn man gerne den österreichischen Sprachgebrauch verballhornt.

Man lernt also nicht nur viele, vielleicht unbekannte "Wortschätze" der Alltagssprache Österreichs, sondern auch die Anwendungsgebiete bzw. den richtigen Gebrauch der Wörter sowie die richtige Aussprache und Betonung. Sehr erfreulich ist, dass auch auf die sog. unanständigen Wörter nicht verzichtet wird. So heißt zum Beispiel "brunzen" ursprünglich hervorquellen und das Verb ist mit dem Substantiv Brunnen verwandt. Es gibt sogar Wörter, die sich nur (für uns "Piefkes") unanständig anhören. "Jemanden abfotzen" bedeutet lediglich, jemanden links und rechts zu ohrfeigen, und ein "Fotzhobel" [aus Fotz(e) und Hobel, weil das Instrument am Mund hin und her geschoben wird] ist schlicht eine Mundharmonika.

Alles in allem ist das "Wörterbuch der Alltagssprache Österreichs" ein äußerst unterhaltsames Nachschlagewerk und das exakte Gegenstück zu einem ebenso trockenen wie humorlosen Wörterbuch. Es ist damit eines jener Bücher, die im Regal keineswegs verstauben werden.

 

Thomas Lawall - Dezember 2012

 

 

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